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Was nach der E-Mail kommt

Von Gregor Kucera

Wirtschaft
Die Überforderung nimmt zu: Wer bei Telefon, E-Mail, Post und Smartphone den Überblick behalten will, kommt aus der Über-Kommunikations-Spirale gar nicht mehr hinaus.
© fotolia/MH

Neue Technologien verändern das Arbeits- und Privatleben nachhaltig - neue Lösung soll firmeninterne E-Mails ersetzen.


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Wien. Digitale Hilfsmittel prägen immer stärker unsere Arbeit, Grenzen zum Privatleben verschwimmen zugleich immer öfter. Die Auswirkungen der Digitalisierung, vor allem durch Smartphones, sind für jeden deutlich spürbar. Dauernde Erreichbarkeit, das Gefühl, nicht schnell genug eine Antwort auf eine E-Mail zu bekommen, und das Phantom-Vibrieren des Handys in der Hosentasche. Wer kennt das nicht? Gleichzeitig steigt die Unzufriedenheit aber. Zu viel Information an zu vielen Orten verteilt und die Unordnung, die unterschiedliche Endgeräte und Plattformen hinterlassen.

Mit den Auswirkungen beschäftigt sich Professor Ulrich Remus vom Institut für Wirtschaftsinformatik, Produktionswirtschaft und Logistik an der Universität Innsbruck, wissenschaftlich. Er untersucht, wie neue Unternehmenssoftware in Firmen erfolgreich eingeführt werden kann und welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Arbeitswelt hat. In einem aktuellen Forschungsprojekt untersucht Ulrich Remus mit seinem Team die Auswirkungen einer ständigen Erreichbarkeit auf die Arbeits- und Privatwelt.

Ständig erreichbar

"Inzwischen sind Handys und Smartphones so selbstverständlich geworden, dass viele ohne ihr Smartphone etwas vermissen. Viele Menschen brauchen dieses Gefühl des Verbunden-Seins", erklärt der Wirtschaftsinformatiker. Die Forscher machen dabei drei Verbindungs-Typen fest: Einmal jene Menschen, die ständig erreichbar sind, teilweise unter Informationsüberlastung, zu häufigen Kontakten und Unterbrechungen leiden, also "hyper-connected" sind. Jene, die das nicht sind, aber auch bewusst nicht wollen und oft nicht einmal ein Handy besitzen ("hypo-connected") und letztlich eine Gruppe, die zwischen diesen beiden Polen je nach Situation wechseln und mit beidem gut umgehen kann.

Welcher Gruppe man zugehört, hat auch Auswirkungen darauf, mit welchen Personen die Zusammenarbeit klappt: "Gerade bei digitaler Kommunikation werden Erwartungen informell immer neu verhandelt - wie schnell bekommen Sie Antwort auf die Mail eines Kollegen? Wann können Sie anrufen? Diese Dinge sind gerade in Teams sehr wichtig."

Menschen aus der "Hyper-connected"-Gruppe sind zum Beispiel selbst dauernd erreichbar und erwarten das auch von ihren Teamkollegen - wird eine E-Mail erst nach ein paar Tagen beantwortet, sorgt das für Irritationen. "Wir haben auch festgestellt, dass sich Menschen ungern zwangsverbinden lassen - Zusammenarbeit mit Menschen, die andere Connectivity-Präferenzen haben, funktioniert nicht sonderlich gut und sorgt letztlich auch für Einbußen in der Produktivität eines Teams", erläutert Ulrich Remus.

"ChatGrape" soll Zeit sparen

Verbesserungsbedarf im Bereich der Kommunikation gibt es genug. Es reicht auch ein Blick auf das private Nutzungsverhalten - WhatsApp, Facebook, SMS, E-Mail, Twitter und zahlreiche andere soziale Netzwerke. Die Überforderung nimmt zu, wer den Überblick behalten will, kommt aus der Über-Kommunikations-Spirale gar nicht mehr hinaus. Fest steht aber auch: Ist die passende Kommunikations-Lösung gefunden, muss man im Unternehmen noch den richtigen Umgang mit der Technologie lernen.

Doch welche Alternativen gibt es überhaupt zur klassischen E-Mail? Zunächst muss man sich einmal überlegen, ob man eine rechtsverbindliche Kommunikation benötigt. Eine E-Mail wird ja erst durch den Einsatz einer digitalen Signatur zu einem wirklichen "Dokument". Und genau aus diesem Grund gibt es immer noch Fax und Einschreiben.

In der internen Firmenkommunikation gibt es hingegen schon einige Möglichkeiten, über den Horizont der elektronischen Post hinauszugehen. Einerseits können soziale Netzwerke oder bekannte Chat-Programme in das interne Kommunikationsnetzwerk eingebaut werden. Entsprechende Lösungen werden seit geraumer Zeit unter dem Begriff der "Unified Communication" subsummiert. Dies meint nichts anderes, als jeder Lebenslage ihr Kommunikationsmittel - von der Videokonferenz bis zum Chat.

Erst vor wenigen Tagen startete das Start-up UberGrape mit "ChatGrape" eine Lösung, mit der firmeninterne E-Mails durch eine cloudbasierte Kommunikationslösung ersetzt werden sollen. Diese intelligente Lösung verbindet alle internen und externen Dienste und Daten eines Unternehmens und kann über eine intelligente Autocomplete-Funktion alle relevanten Dateien und Dokumente direkt an eine Nachricht anhängen, während sie der Anwender schreibt. Somit soll sich sowohl das Schreiben, aber auch das Auffinden wichtiger Dokumente beschleunigen. Immerhin sollte man auch noch arbeiten, nicht nur kommunizieren.