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Was Nano-Teilchen anrichten

Von Maike Seidenberger

Wissen
Wie bei James Bond: Das Innenleben der Roboter-Fliege (zur Beobachtung) treiben winzige Nano-Partikel an. Foto: corbis

Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt sind jedoch noch nicht ausreichend erforscht. | Winzige Partikel können Medikamente im Körper transportieren. | Wien. Imprägniersprays für Schuhe, mit Silber beschichtete Socken gegen Schweißgeruch, ultra-starke Sonnencremes, Fassadenfarben, von denen Schmutz und Wasser abperlen wie von einem Lotusblatt - ohne es zu wissen, leben wir in einer Nano-Welt. In Europa sind geschätzte 500 Produkte vom Brillenglas bis zum Motoröl-Zusatz in Umlauf, in denen die winzigen Partikel (eine Million Nanometer entsprechen einem Millimeter) zur Optimierung verschiedener Materialeigenschaften eingesetzt werden.


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So vielfältig die Einsatzgebiete der Nanotechnologie sind, so ahnungslos sind Forscher wie Anwender, wenn es um die Auswirkungen der Mini-Teilchen auf den menschlichen Körper geht, falls sie eingeatmet, mit der Nahrung oder über die Haut aufgenommen werden. Auch ob und wie sie in der Umwelt abbaubar sind, ist nach wie vor völlig unklar.

Keine Definition, keine Regulierung

"Die Risiken der Nanotechnologie können mit derzeitigen Methoden kaum zuverlässig abgeschätzt werden", erläutert Albert Duschl, Professor für Biochemie und Vizerektor für Forschung der Universität Salzburg. Er leitet das mit 3,25 Millionen Euro dotierte Forschungsprojekt "NanoTOES" (kurz für "Nanotechnology: Training of Experts in Safety").

Von November dieses Jahres bis November 2014 sollen zwölf Forschungsinstitute aus neun europäischen Ländern standardisierte Testmethodiken entwickeln, die zumindest für einige Partikel-Arten eine realistische Risikoabschätzung ermöglichen. Diese sollen möglichst so einfach sein, dass Unternehmen, die Nanomaterialien in ihre Produkte einarbeiten, die Tests auch tatsächlich verwenden.

Ein weiteres Ziel ist die Ausbildung von Nano-Sicherheitsexperten. Was diese genau können sollen, ist wegen der relativen Neuheit des Forschungsthemas aber noch ungewiss. Jedenfalls werden im Rahmen des Projekts hier elf Dissertationen und zwei Post-Doc-Arbeiten gefördert, zwei davon an der Universität Salzburg. An NanoTOES nehmen auch drei Firmen teil, darunter der deutsche Pharmakonzern Bayer. Denn das Interesse der Wirtschaft an begleitender Risikoforschung sei groß, betont Duschl: "Da geht es auch um die Sicherheit am Arbeitsplatz bei den Herstellern." Finanziert wird das Projekt im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union: "Die EU verkörpert in diesem Fall die Regulierungsbehörde und will vernünftige Grundlagen für ihre Entscheidungen haben."

Reguliert ist im Nanobereich nämlich einstweilen noch gar nichts. Denn schon bei der Definition, was alles unter "Nanotechnologie" zu summieren ist, scheiden sich die Geister. Eine generelle Kennzeichnungspflicht für Produkte mit Mikro-Partikeln gibt es dementsprechend nicht. Eine solche würde Duschl auch nicht unterstützen, "denn damit können die Konsumenten nichts anfangen". Sie mit noch nicht abgeklärten Risiken abzuschrecken, bringe nichts. Und "bei medizinischen Diagnostika, wie Kontrastmitteln oder Sonnencremes, ist der gesundheitliche Nutzen deutlich größer als die möglichen Risiken." Außerdem sei nicht überall wo "Nano" draufsteht, auch Nano drin. Manchmal werden Produkte einfach unter dem Label vermarktet, "weil es modern klingt".

Kleinste Teilchen dringen in das Immunsystem ein

Duschls eigene Forschergruppe widmet sich der Wirkung von Nanomaterialien auf das Immunsystem. Wegen ihrer Kleinheit können die Teilchen nämlich die Blut-Hirn-Schranke überwinden und beispielsweise als Trägersubstanz für gezielten Medikamenten-Transport im Körper eingesetzt werden. Ob und wie die Nanopartikel die Immunabwehr aktivieren oder unterdrücken, will Duschl durch Versuche mit Kulturen aus menschlichen Tumorzellen feststellen. Manche Partikelgruppen stehen aber im (bisher weder entkräfteten noch bestätigten) Verdacht, Entzündungen auszulösen.

Ein britisches Forscherteam erforscht die potenzielle Ökotoxizität der Kleinstteile. Denn das Verhalten von Nanopartikeln in der freien Wildbahn kann durchaus unerwünschte Nebeneffekte zeitigen. In den USA musste etwa ein mit antibakteriellen Silber-Nanoteilchen versehenes Waschmittel wieder vom Markt genommen werden, weil seine stärkere Konzentration die nützlichen Bakterien in Kläranlagen beeinträchtigen hätte können.