)
"Hauptsache auf der sicheren Seite" ist ein lobenswertes Motto für Finanzmanager, in der Politik endet diese Strategie in der Sackgasse.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wären Parteien Banken, ihr risikoscheues Gebaren müsste nachgerade als vorbildhaft gelobt werden. Das Problem ist nur: Parteien sind keine Banken - und genau deshalb ist ihr mangelnder Mut, ihre schlotternden Knie, im Angesicht der Wähler ein Grund mit dafür, dass das Verhältnis zwischen Bürgern und Politik so ist, wie es nun einmal ist. Also sehr, sehr schlecht.
Ein Beispiel: Bevor Parteien entscheiden, was sie auf ihre Plakate und in ihre Programme schreiben, ermitteln sie mithilfe von Umfragen, was denn die Wähler gerne hätten, das eben dort geschrieben steht.
Das ist, für sich genommen, ein durchaus rationales Verfahren, schließlich wird nicht nur die Welt immer komplizierter, sondern auch der eigene Wahlbezirk. Und die parteieigenen Informationskanäle zumindest der etablierten Parteien taugen allenfalls noch für ein atomistisches Stimmungsbild; wirkliche Aussagekraft für das größere Ganze können diese längst nicht mehr bieten. Weshalb eben Volkeswille heute empirisch-wissenschaftlich erhoben wird. Es gibt tatsächlich schlechtere Methoden.
In einer idealen Welt würden nun solche Stimmungsbarometer und Meinungsbilder der Bürger auf klar konturierte politische Zielvorstellungen der Parteien treffen. Allerdings leben wir in keiner idealen Welt. Falls es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, die anlaufenden Kampagnen zur EU-Wahl am 25. Mai erbringen ihn mühelos.
Was hätten denn die Bürger gern, das die EU gewährleistet: So ungefähr muss der Auftrag gelautet haben, mit dem die Parteien ihre Strategen ins Feld geschickt haben. Herausgekommen ist, was bei solchen Fragen ins Blaue eben meist herauskommt: gute Luft und gesundes Essen, saubere Umwelt vor allem. Offensichtlich sind das die Bereiche, wo sich die Grenzen nationaler Souveränität am stärksten ins politische Bewusstsein der Menschen eingegraben haben, die Vorteile transnationaler Vorgaben am deutlichsten hervortreten. Bei Finanzen, Wirtschaft, Sicherheit oder Migration sind die Bürger offensichtlich noch nicht so weit.
Und weil in Wahlkampfzeiten gilt, dass die Bürger wünschen und die Parteien versprechen, sind plötzlich Umwelt und gesunde Lebensmittel der Renner in den anlaufenden EU-Kampagnen.
Schon möglich, dass die Bürger dies ganz oben auf ihrer ganz persönlichen, alltagstauglichen Prioritätenliste haben, es ist ja auch tatsächlich wichtig; aber erstaunlich ist es schon auch angesichts der aktuellen weltpolitischen Themenlage.
Und dahinter steckt ein noch viel gravierenderes Problem: Wenn Parteien nur noch fordern, was sie zuvor empirisch ermittelt und abgetestet haben, dann verliert Politik jenen Spannungsbogen, der die Demokratie dynamisch hält. Dazu gehört auch die Bereitschaft, neue Lösungen für alte Probleme zu versuchen, kurz politische Risiken einzugehen. Allerdings nicht im Sinne eines Roulettespiels, bei dem Gewinn und Kosten höchst ungleich verteilt sind. Schließlich sind Parteien keine Banken.
Obwohl: Der Hang der Parteien zum größtmöglichen kurzfristigen Gewinn bei gleichzeitiger Inkaufnahme beträchtlicher Kostenverschiebungen an spätere Generationen lässt, manchmal zumindest, schon Zweifel aufkommen.