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Probleme kleinzureden, ist die Spezialität von Regierungen; sie zu leugnen oder zu Albträumen aufzublasen, ist das Privileg der Opposition. Auf der Strecke bleibt ein pragmatischer Realismus, der eine nüchterne Ahnung vom Kommenden zu vermitteln vermag.
Folgendes wird sich in Österreich zutragen:
Für heuer ist mit rund 70.000 Asylanträgen zu rechnen; dafür, dass es demnächst deutlich weniger sein werden, gibt die weltpolitische Lage keinen Anlass. Bei einer - laut Experten - zu erwartenden Anerkennungsquote von über 50 Prozent wird sich Österreich bis 2019 um 175.000 zusätzliche Flüchtlinge dauerhaft kümmern müssen. Natürlich könnte eine EU-weite Aufteilung diese Zahl reduzieren, sicher ist das nicht. Es gehört zur Aufgabe verantwortungsvoller Regierungen, nicht Schönwetter-Szenarien zur Grundlage von Politik zu machen, sondern die angekündigten Sturmböen.
Die nächste Wahrheit lautet: Das Gros der Flüchtlinge wird kommen, um zu bleiben. Was nicht wirklich verwundert: Ihre Heimatländer - Syrien, Irak, Afghanistan, Libyen und andere - sind auf Jahrzehnte hinaus zerstört.
175.000 zusätzliche Menschen im Land brauchen kurzfristig feste Unterkünfte, Kleidung und Nahrung. Das ist durch Organisation und mit ein bisschen gutem Willen machbar.
Entscheidender ist etwas anderes: Diese 175.000 Menschen werden Bildung und Ausbildung benötigen, nicht nur in Bezug auf die Sprache, auch, was die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln unseres Zusammenlebens angeht; das verlangt nach Schulplätzen, Sprachkursen und entsprechendem Personal. Die Neuankömmlinge werden Jobs brauchen, um nicht auf ewig auf Sozialtransfers angewiesen zu sein; um diese (überwiegend minderqualifizierten) Jobs gibt es bei 400.000 Arbeitslosen schon jetzt einen harten Konkurrenzkampf, der politischen Sprengstoff in sich birgt. Und die 175.000 brauchen fixen Wohnraum, Ärzte, Pflege, Raum für kulturelle Entfaltung, auch Gefängnisplätze und und und - wie alle anderen eben auch.
Alternativen? Gibt es nicht. Wunder können geschehen, aber man sollte sie nicht fix einplanen. Zumindest nicht, wenn man die Angelegenheit ehrlich und nüchtern betrachtet.
Wer hat nun Schuld? Niemand, zumindest nicht in Österreich. Das ändert nichts daran, dass wir die Situation bestmöglich bewältigen müssen.