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Was sich verändert hat: der Akademiker-Ball und "seine" Proteste

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Anders als in früheren Jahren kann man den Text zum 10. "Jubiläum" nicht mehr einfach recyceln.


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Gleich geblieben ist der Unterschied zwischen dem Moment, wo ich dies schreibe, und jenem Moment, wo Sie dies lesen: In der Zwischenzeit hat das Ereignis, um das es geht, stattgefunden. Sie lesen also nach dem Ereignis, was ich vorher darüber geschrieben habe. Natürlich könnte man jetzt einwenden, dass das Schreiben solcherart ein gewisses Defizit haben könnte. Zum Beispiel weiß man nicht, was passieren wird. Das stimmt natürlich. Vor allem in Hinblick auf die sensible Frage der Gewalt. Nein, ich weiß jetzt nicht, ob es Freitag Abend im Zuge der Anti-Akademikerball-Demonstrationen zu Ausschreitungen gekommen sein wird - ob von Seiten der Demonstranten oder von Seiten der Polizei. Trotzdem - nein gerade deshalb habe ich auch heuer wieder entschieden, vorher zu schreiben - denn dies lässt den Blick frei für das, was im Ausschreitungsgetöse unterzugehen droht.

Im alten Text stand: Der Ball ist nicht einfach ein Ball, sondern eine politische Manifestation mit drei Zielen: der Vernetzung des europäischen Rechtsextremismus, dessen identitätsstiftender Inszenierung als "Hochkultur" sowie das Vor- und Eindringen ins "Zentrum" der Republik - in die Hofburg. Die politischen Entwicklungen der letzten Zeit haben den Beleg für diese Behauptung nachgeliefert: Das symbolische Eindringen ins Zentrum hat sich in der Zwischenzeit auch realpolitisch verwirklicht. Die Freiheitlichen sind nicht nur am Ball im Zentrum der Republik angelangt. Wenn Strache heute auf den Ball geht, dann nimmt der Vizekanzler der Republik an diesem teil. Das verändert den Charakter des Balls - war er bislang ein "subversives" Treffen europäischer Rechter, so bekommt er nun den Anstrich staatlicher Repräsentation. Das verändert aber auch den Charakter der Republik.

Mit den Freiheitlichen sind auch die Burschenschaftler ebendort eingezogen - im Zentrum der Macht. Diesen ist damit gerade in den letzten Monaten eine grundlegende Neupositionierung gelungen. Sie sind nun massiv in der Regierung und in den Ministerien vertreten. Und zugleich dringt nahezu täglich an die Öffentlichkeit, was in diesen Verbindungen hinter geschlossenen Türen gesungen, gesprochen, zelebriert wird.

Wir haben es beim Akademikerball und bei den Protesten dagegen mittlerweile mit einer Tradition zu tun. Seit 2008 wurde der Ball zum fixen Datum für eine Konfrontation - eine Konfrontation mit Ankündigung gewissermaßen. Wir haben es also mit wiederkehrenden Ritualen zu tun. Waren Opernball und "seine" Demo Establishment und Anti-Establishment-Party, so sind Akademiker-Ball und "seine" Proteste rechtsextremes und antifaschistisches "Fest". Gewissermaßen.

Vor rund achtzehn Jahren wurden die Proteste gegen Schwarz-Blau von manchen als "anti-faschistischer Karneval" denunziert. Angesichts der Burschenschaftler mit ihren Mützen, Farbbändern, Schärpen und Schmissen fragt man sich, wer hier beim Karneval ist. Ja, hier werden alte Kämpfe wieder aufgeführt. Hier werden (wie beim Schach) alte Partien nachgespielt. Und doch ist das alles andere als eine nostalgische Angelegenheit. Heute gilt noch nachdrücklicher: Die Rechten führen in alten Kostümen ein altes Stück auf.