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Warum soll es Charles Schultz besser ergehen als Thomas Bernhard? Der Vater der "Peanuts" starb 2000. In einem offenen Brief, der nach seinem Tod veröffentlicht wurde, hatte der große Cartoonist sich und die "Peanuts" von seinen Fans verabschiedet. Ohne ihn sollte es keine Geschichten mehr mit Charlie Brown, Snoopy und dem Comic-Chefphilosophen Linus geben.
Eine vernünftige Entscheidung, möchte man meinen. Wenn es sich nur um einen Cartoon handeln würde. Die "Peanuts" sind aber viel mehr als das - sie sind eine Geldmaschine. Und deshalb wollte sich der Verlag nicht mit dem läppischen letzten Willen des Autors herumärgern. Auf einem neuen Buch steht nun listig Charles M. Schultz als Autor - der Mann hat aber keinen Strich gezeichnet. Man hat sich eines TV-Specials bedient, das aus Originalzitaten zusammengestöpselt wurde. Und einen Schultz-Imitator als Zeichner engagiert. Herausgekommen ist ein Machwerk, das die Abwesenheit des wahren Charles Schultz schmerzhaft bewusst macht.
Das ist pietätlos. Aber mit testamentarischen Verfügungen von Künstlern ist es bekannt schwierig. Hätte man sich über Thomas Bernhards Vermächtnis, seine Stücke nicht in Österreich aufzuführen, nicht hinweggesetzt, wären die Spielpläne dünner. Und hätte Max Brod getan, was Franz Kafka angeschafft hat, nämlich seine unveröffentlichten Werke zu verbrennen, gäbe es keinen "Prozess".