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Was tun mit Inflation und Preisanstieg?

Von Monika Jonasch

Wirtschaft

Jede Krise birgt Chancen, so auch die aktuelle. Infolge der steigenden Inflationsrate werden derzeit zwar Geldwert und Kaufkraft geringer, dafür aber Schulden billiger. Das kann Privathaushalten beim Jonglieren mit Kreditzinsen helfen.


Das Schreckgespenst einer steigenden Inflation geistert durch die mediale Landschaft. Inflation hat jedoch nicht nur negative Seiten, wer weiß, wie man damit umgeht, kann sich mit ihr arrangieren. Grundsätzlich handelt es sich bei der Inflation um eine Geldentwertung. Damit wirkt sie sich negativ auf Gläubiger aus, aber positiv auf alle, die Schulden haben oder machen. Bei einer solchen Geldentwertung verliert Bargeld und Erspartes an Wert. Man kann sich also um sein Geld weniger kaufen als zuvor. Verbunden mit einer Inflation sind steigende Preise für Waren und Dienstleistungen, was die Kaufkraft der Konsumenten schmälert. Diese wird zusätzlich gebremst, weil eine Anpassung der Gehälter stets langsamer erfolgt als die Preissteigerungen.

Derzeit verzeichnet man in Österreich steigende Preise, insbesondere bei Rohstoffen und Energie, denn die Nachfrage steigt wieder, nachdem es im vergangenen Jahr, infolge der Pandemie, fast zu einem wirtschaftlichen Stillstand gekommen war.

Die Statistik Austria hat kürzlich in einer Schnellschätzung, nach einer Teuerungsrate von 1,9 Prozent im April, für Mai 2,8 Prozent errechnet, den höchsten Wert seit Anfang 2012.

Viele Menschen in Österreich machen sich nun Sorgen, dass die Preise, insbesondere bei Wohnen, Lebensmittel und Treibstoffen weiter steigen, ergab jüngst eine Market-Studie im Auftrag des Magazins "trend". Als Reaktion wollen sie ihr Erspartes in Gold, Wertpapieren und Immobilien anlegen oder gleich ausgeben. Wie verhält man sich richtig, wollten wir von Experten wissen.

Kredite zurückzahlen

Ein Patentrezept gibt es nicht, heißt es dazu von der Erste Bank. Wie man sich mit der aktuellen Situation arrangiert, sollte individuell im Gespräch mit dem Bankberater geklärt werden.

Ob es sinnvoll sei, etwa den Kredit für Wohnung oder Haus früher abzubezahlen, hänge auch von den jeweiligen Kreditvereinbarungen ab, gibt Erste-Pressesprecher Christian Hromatka zu bedenken. So sei es bei Fixzinskrediten etwa üblich, dass frühzeitige Rückzahlungen mit Pönalen verbunden seien. Wichtig sei zudem zu bedenken, wie hoch ein jederzeit verfügbares Finanzpolster aussehen müsse, etwa um Arbeitsplatzverlust oder notwendige Anschaffungen ausgleichen zu können, empfiehlt er.

"Man muss realistisch bleiben: Hat ein Kunde zusätzliches Geld zur Verfügung, das einbezahlt werden kann? Meistens nicht. Es macht daher Sinn, die herkömmliche Kreditrate monatlich zurückzubezahlen. Wir empfehlen, in der derzeitigen Niedrigzinsphase Fixzinskredite abzuschließen, dadurch sind unsere Kunden vor eventuell steigenden Zinsen geschützt", heißt es von der Bawag.

"Rein rechnerisch ist es bei den nach wie vor sehr attraktiven Hypothekarkreditzinsen und einer Zinslandschaft, die bei Veranlagungen keine allzu großen Renditen ermöglicht, derzeit nicht besonders sinnvoll, einen Kredit früher zurückzubezahlen", meint Mauro Maschio, Vorstand Privatkundenbank der UniCredit Bank Austria. "Natürlich kann es in individuellen Situationen von Vorteil sein, seine Fixkosten zu verringern oder sein persönliches Sicherheitsgefühl zu stärken", ergänzt er noch.

Hat man einen Wohnkredit laufen und - abseits vom "Notgroschen" - zusätzliche finanzielle Reserven, hält es auch Nikolaus Jilch, Geldexperte bei der Agenda Austria, für verständlich, den Kredit früher zurückzubezahlen. "Das ist vor allem aus psychologischer Sicht, fürs persönliche Wohlbefinden wichtig", schränkt er ein. Immerhin muss die Kreditrate bedient werden, "egal, was kommt". Bei einem Fixzinskredit würde es allerdings weniger Sinn machen als bei Krediten mit variablen Zinsen. "Solange die Kreditzinsen aber unter der Inflation bleiben, ist der Kredit quasi gratis", gibt er zu bedenken.

Auf den Punkt bringt es Christian Prantner von der Arbeiterkammer Wien: "Bei Neukrediten gibt es attraktive Zinssätze, da gilt nach wie vor, dass Fixzinsvereinbarungen Sinn machen, um sich niedrige Zinsen zu sichern. Bei älteren Krediten kann sich eine vorzeitige Rückzahlung lohnen, vor allem, wenn Sie in schlechteren Konditionen ‚gefangen’ sind."

Laut Tarifvergleichsportal durchblicker.at haben erste Banken in Österreich ihre Kreditzinsen bereits erhöht. Je nach Bank und Bonität zahlen Kunden für einen Fixzinskredit mit einer Laufzeit von zehn Jahren nun zwischen 0,625 und 1,15 Prozent Zinsen. Bei 15 Jahren liegt die Bandbreite derzeit zwischen 0,875 und 1,4 Prozent. Andere Banken bieten Fixzinskredite nach wie vor zu Niedrigstzinsen an. Vergleichen zahlt sich daher aus, bedeute der Unterschied bei einem Immobilienkredit über die Laufzeit doch Mehrkosten von mehreren tausend Euro, so durchblicker-Geschäftsführer Reinhold Baudisch.

Neue Schulden machen

Macht es eigentlich Sinn, derzeit einen neuen Kredit aufzunehmen, wollten wir weiter wissen. "Die Rahmenbedingungen für Kredite sind derzeit besonders günstig. Sowohl die kurzfristigen als auch die langfristigen Zinsen sind niedrig und werden auch nicht so schnell wieder deutlich steigen. Gleichzeitig bietet das auch die Chance, sich diese niedrigen Zinsen längerfristig mit einem Fixzins abzusichern", so Mauro Maschio von der Bank Austria.

"Aufgrund des historisch niedrigen Zinsniveaus sind Kredite so günstig wie noch nie. Es ist daher ein günstiger Zeitpunkt, einen Kredit mit Fixzinssätzen abzuschließen", meint man auch bei der Bawag. Ein Wohnkredit, wie derzeit möglich, mit einer Zinsrate von einem Prozent, das sei schon extrem niedrig, räumt auch Agenda-Austria-Experte Jilch ein.

Erspartes verliert Wert

Und was tun mit dem Ersparten? "Wenn ich es mir leisten kann, dann empfehlen sich Investitionen in Wertpapier-Fonds eher, als das Geld am Konto liegen zu lassen, wo es weniger wert wird", so Hromatka von der Erste Bank.

"Wer die Kaufkraft seiner Ersparnisse langfristig erhalten will, muss in der aktuellen Niedrigzinsphase in Wertpapiere investieren", ist auch Maschio von der Bank Austria seiner Meinung. "Bei klassischen Sparformen wie Sparbuch oder Konto liegen die Zinsen derzeit unter der Inflation, das bedeutet Kaufkraftverluste", erklärt er und hat ein anschauliches Beispiel: "Brauchte man 1990 bei jährlichen Sparzinsen von sieben bis acht Prozent knapp zwölf Jahre, um sein Sparguthaben zu verdoppeln, wären es heute circa 400 Jahre."

Es sei zwar immer gut, etwas Kapital auf der Seite zu haben, so auch die Meinung der Bawag, aber: "Bei größeren Beträgen wollen wir Bewusstsein schaffen, dass, wer sein Geld auf Konten ‚parkt‘ oder am Sparbuch als Anlageform festhält, auf langfristige Sicht einen Kaufkraftverlust riskiert. Bei diesem Niedrigzinsumfeld sollte der Schritt in den Kapitalmarkt, etwa mit Fonds, und natürlich auf den individuellen Anlagehorizont und das persönliche Risiko-/Ertragsprofil der Kunden zugeschnitten, überlegt werden."

Auch bei der Agenda Austria stimmt man in diesen Kanon ein: "Die beste Sparbuch-Alternative sind günstige, breitgefächerte Fonds mit Aktien." Am Sparbuch sollte nur mehr die Liquiditätsreserve liegen, die für Allfälliges und Unvorhersehbares sein muss. "Für den Notpuffer ist das Sparbuch sinnvoll, sonst derzeit nicht", so Nikolaus Jilch.

Einen Vorteil haben Sparbücher jedoch, gibt AK-Wien-Experte Prantner, abseits der Zinsen, zu bedenken: "Giro- und Spareinlagen sind insofern konkurrenzlos, als sie einlagengesichert sind."

Sparefrohs sind hartnäckig

Entgegengesetzt zu den Experten-Ratschlägen verhalten sich allerdings Österreichs Sparer. Sie seien "leider weiterhin Kapitalmarkt-Muffel", so Georg Knill, Chef der Industriellenvereinigung kürzlich. Die Corona-Krise hat die Situation nicht verbessert, ganz im Gegenteil. So stellte die Oesterreichische Nationalbank im Mai 2021 fest, dass die heimischen Haushalte vergangenes Jahr 31,9 Milliarden Euro netto ansparten, das ist eine Nettosparquote von 14,5 Prozent. In den Jahren vor der Krise lag die Quote um die acht Prozent oder knapp darunter.

Nach wie vor ist das Sparbuch die beliebteste Anlageform, obwohl es seit Jahren nur magere bis gar keine Zinsen einbringt, bestätigte auch eine IMAS-Studie im Jänner 2021: Die Top-3-Vorsorgeprodukte sind hierzulande Sparbuch (58 Prozent), Lebensversicherung (42 Prozent) und Bausparvertrag (39 Prozent).