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Was Ungarn und Österreicher eint und trennt

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.

Eine grundsätzlich pro-europäische Haltung trifft auf unterschiedliche europäische Wertevorstellungen.


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Die ungarischen Parlamentswahlen haben jüngst mit Viktor Orbán einen klaren Sieger hervorgebracht. Eine einseitige Medienlandschaft, ein mehrheitsfreundliches Wahlsystem und eine zersplitterte Opposition haben - vor allem auf dem Land - auch dazu beigetragen.

Für Österreich mit traditionell engen Beziehungen zum Nachbarstaat ist der Wahlausgang durchaus relevant. Wobei sich sowohl Positionen als auch politischer Diskurs teils massiv unterscheiden. Dies äußert sich auch in einem divergierenden Meinungsbild, wie zwei Umfragen der Gesellschaft für Europapolitik und des Center for European Neighbourhood Studies an der Central European University Budapest zeigen, die Ende 2017 durchgeführt wurden.

Der Wunsch nach einem "starken Mann in der Politik" ist in Ungarn besonders markant und erklärt zu einem nicht geringen Teil das dortige Wahlverhalten: Fast neun von zehn Befragten halten einen solchen für wichtig, während es in Österreich sechs von zehn sind.

Selbst- und Fremdsicht klaffen teils stark auseinander. Sechs von zehn Ungarn und neun von zehn Österreichern meinen, ihr Land spiele in puncto Solidarität mit anderen EU-Ländern eine positive Rolle - eine Argumentation, die nicht zuletzt Ungarns Premier mit Hinweis auf die Sicherung der Außengrenze und der harten Haltung in Migrationsfragen vertritt.

Dennoch ist auch die Haltung der Ungarn zur EU positiv. 84 Prozent der Ungarn sind dafür, dass ihr Land EU-Mitglied bleibt. In Österreich sind es 77 Prozent. Lediglich 15 Prozent der österreichischen und 9 Prozent der ungarischen Befragten plädieren dezidiert für einen EU-Austritt.

Den oft wenig zimperlichen Umgang mit der EU im politischen Alltag - vor allem in Ungarn - sehen Teile der Bevölkerung auch durchaus kritisch. Etwa jeder zweite Ungar und jeder dritte Österreicher meint, die EU werde im eigenen Land zu negativ dargestellt. Den gegenteiligen Eindruck haben nur 8 Prozent der Ungarn und 29 Prozent der Österreicher, während je ein Drittel den Umgang mit der EU als fair bewertet. In beiden Ländern glaubt auch eine Mehrheit, dass die EU häufig als Sündenbock herhalten müsse. In Ungarn sind es mehr als zwei Drittel, die dieser Meinung sind, in Österreich deutlich mehr als die Hälfte. Dennoch wird "Brüssel" gerne bemüht, um eigene Versäumnisse zu kaschieren.

Zugleich werden Demokratie und Menschenrechte in beiden Ländern fast einhellig für wichtig gehalten - in Österreich jedoch um einiges häufiger als im Nachbarland. Das Gleiche gilt für eine unabhängige Justiz, unabhängige Medien und Zivilgesellschaft. Ein Ergebnis, das von besonderer Brisanz ist und beachtet werden sollte.

Eine Politik, die über Jahre auf die nationale Populismuskarte setzt, hinterlässt ihre Spuren. Eine ehrlichere Debatte, die nicht nur von anderen einfordert, sondern aktiv gemeinsame Lösungen forciert, bietet nachhaltigere Perspektiven. Der Rückzug in nationale Befindlichkeiten ist jedenfalls das Gegenteil einer Antwort auf europäische Herausforderungen. Ein gemeinsames Europa hat letztlich mehr Potenzial als jeder Abschottungsversuch des eigenen Schrebergartens.