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Die rhetorisch-symbolische Aufarbeitung ist fast zwingend zur Phrase verurteilt. "Londoner werden sich niemals von Terror einschüchtern lassen", erklärte Sadiq Khan, der Bürgermeister der britischen Metropole, unmittelbar nach dem Terroranschlag auf seine Stadt. Theresa May, die Premierministerin, zeigte sich überzeugt, dass "jeder Versuch, die britischen Werte durch Terror zu besiegen, zum Scheitern verurteilt" sei.
Nun, es mag sein, dass sich "die Londoner" nicht vom Terror einschüchtern lassen, dazu ist die Gefahr im Alltag wohl zu abstrakt, sind die Ablenkungen zu zahlreich. Doch bei Politikern ist das etwas anderes. Es ist ihr Job, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, damit die Sicherheit der Bürger gewährleistet ist. Natürlich werden bei diesem Versuch britische wie universelle Werte von Freiheit und Gleichheit passend zurechtgebogen. Es gibt von diesen ohnehin keine endgültige Fassung, es kann sie nicht geben, weil das Ausmaß, das sich eine Gemeinschaft an Freiheit erlaubt, zwingend davon abhängt, wie sie ihre Bedrohungen wahrnimmt.
Beides muss beständig neu ausgestritten und aufeinander abgestimmt werden. In dieser Hinsicht ist tatsächlich nichts in Stein gemeißelt.
Deshalb diskutieren wir über ein Verbot von Kopftuch und Vollverschleierung, deshalb ist die Regierung überzeugt, das Recht auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit enger ziehen zu müssen (und das auch noch im parlamentarischen Eilverfahren), deshalb werden Menschen allein aufgrund ihres einschlägigen Aussehens bevorzugt polizeilichen Kontrollen unterzogen, deshalb müssen sich Flugpassagiere fast schon buchstäblich entkleiden, und deshalb werden die Kommunikationsströme im globalen Maßstab überwacht und abgehört.
Mit Sicherheit ist einiges davon sinnlos, jedenfalls nach den kühlen Maßstäben einer rationalen Wahrscheinlichkeitsrechnung. Umso wichtiger wird die öffentliche Debatte selbst über die neue Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Womöglich ist es nämlich genau das, was den Kern unserer Werte ausmacht: ein offener Diskurs, wie wir uns als Gesellschaft der Bedrohung unseres freiheitlich-aufgeklärten Lebensstils entgegenstellen wollen. Das ist weniger, als wir uns noch vor wenigen Jahren erträumten, aber immer noch mehr, als uns der Gegner zugestehen will. Alle Regierungen, gerade jene unter Druck, sollten sich das zu Herzen nehmen.