Zum Hauptinhalt springen

Was unter der Decke des Flüchtlingsdiskurses brodelt

Von Farid Hafez

Gastkommentare
Farid Hafez ist promovierter Politikwissenschafter und forscht an der Universität Salzburg. Seit 2010 ist er zudem Herausgeber des "Jahrbuchs für Islamophobieforschung".

Spuren der Islamophobie finden sich auch im liberalen Spektrum - und dort sind sie noch gefährlicher als bei den Rechten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In den vergangenen Wochen und Monaten gab es beim Thema Flüchtlinge deutliche Wortmeldungen einer nicht unbedeutenden Zahl politisch Verantwortlicher zur Frage der Religionszugehörigkeit. Estlands Sozialminister, die Premiers Polens, Ungarns und der Slowakei, Tschechiens Präsident - sie alle wiesen sie auf den "christlichen" Charakter Europas hin, der durch das Ankommen vieler Flüchtlinge muslimischen Glaubens gefährdet würde. Dass seitens der heimischen Rechten das Asylthema mit dem Islamthema verknüpft wird, ist wenig überraschend.

Weitaus beunruhigender ist aber, dass inmitten des links-liberalen Spektrums solche Stimmen hofiert werden. Namhafte Journalisten werfen dieser Tage die Frage auf, ob denn die Moschee in Wien ihre Türen für Flüchtlinge öffne. Eine berechtigte Frage. Gleichzeitig schweigen dieselben Journalisten über den Einsatz von vor allem türkisch-stämmigen muslimischen Vereinen, die regelmäßig Tonnen an Hilfsgütern nach Nickelsdorf gebracht haben oder an die serbisch-ungarische Grenze gehen. Statt ihre Hilfe sichtbar zu machen, die ja einen Teil der österreichischen Hilfe ausmacht, wird lieber ihre politische Gesinnung hinterfragt. Eine naheliegende Folgeerscheinung sind dann offen islamfeindliche Kommentare in Internet-Blogs und entsprechende Usermeldungen darunter. Da ist dann auch zu lesen, dass "alle refugees welcome" seien - außer jenen, die die Menschenrechte und Toleranz gegenüber anderen nicht "aushalten" würden, was gleich einmal mehr als 1000 Likes geerntet hat. Beim ersten groben Drüberlesen ist vielleicht tatsächlich das Diskriminierende daran nicht zu erkennen. Aber werden "sexuelle Selbstbestimmung, die sexuelle Freizügigkeit und das Recht auf Blasphemie" tatsächlich von weiten Spektren unserer Gesellschaften geteilt? Ich meine mit Blick auf Österreich, dass dem eher nicht so ist. Ein Blick in Richtung ÖVP oder Katholische Kirche sollte genügen.

Ist es also der Kern islamophoben Denkens, die Projektion eigener Wünsche auf eine für den Autor allzu unzulängliche Gegenwart, die den kulturell "anderen" Muslim zur Zielscheibe macht? Und das vor dem Hintergrund, dass das Asylrecht als Menschenrecht im Schein einer allzu oberflächlichen "Wertedebatte" reguliert werden solle? Mit dem baden-württembergischen Staatsbürgertest, der als "Muslimtest" bekannt wurde und mittlerweile Geschichte ist, hatten wir eine solche Debatte schon in unserem Sprachkreis. Es war bereits hochproblematisch, als manche Vertreter der heimischen Christdemokratie in den syrischen Christen zu bevorzugende Flüchtlinge sahen. Umso wichtiger ist es, dass nicht zuletzt auch der Kardinal dazu klare Worte fand.

Islamophobe Einstellungen von FPÖ-Politikern und Rechten innerhalb des konservativen Lagers sind altbekannt. Dass aber auch innerhalb jenes Milieus, das die Flüchtlinge offen empfängt und die Ärmsten der Armen in diesen Stunden unterstützt, derartige islamophobe Versatzstücke subtil verbreitet werden, ist weitaus gefährlicher als das offene Hetzen eines HC Strache. Denn es repräsentiert das altbekannte Muster des "Ich bin kein Rassist, aber", worauf meist ein mehr oder weniger offen ausgeführtes rassistisches Argument folgt.