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Wahrscheinlich will allenfalls eine Minderheit der Bürger neue Grenzen in Europa. Gott sei Dank. Und ziemlich sicher stimmt auch der Satz, dass neue Zäune und Mauern die Menschen auf der Flucht nicht aufhalten können. Nur sollte die Politik dies nicht noch extra betonen.
Bestimmte Dinge erwarten die Bürger ganz einfach von ihrem Staat. Und das mit vollem Recht. Dazu zählt nicht nur die Organisation funktionierender Sozialsysteme, ein Rechtsstaat, der Recht auch zur Durchsetzung verhilft, und der Schutz persönlicher Freiheitsrechte, sondern eben auch - als Ultima Ratio - die Sicherung der eigenen Grenzen. Ein Staat, der von sich aus behauptet, er sei dazu außerstande, entblößt sich ohne Not vor seinen Bürgern. Auch die Pensionen können nicht mehr bezahlt werden, wenn die gesamte Wirtschaft zusammenbricht. Deswegen hängt die Politik das trotzdem nicht an die große Glocke. Aus gutem Grund.
Unstrittig ist: Die sich erneut dramatisch zuspitzende Flüchtlingskrise kann nur auf europäischer Ebene bewältigt werden. Geschieht das nicht, werden die Staaten unweigerlich ihre eigenen Mittel finden, die Belastung ihrer Bürger möglichst gering zu halten. Und man sollte sich nicht täuschen lassen: Nationalismus ist keine exklusive Angelegenheit der Rechtspopulisten. Es gibt auch einen erstarkenden linken Nationalismus: in Griechenland, in Frankreich, in Großbritannien, in Spanien.
In Europa haben ausgerechnet die Verantwortungsträger verlernt, was es heißt, Verantwortung zu tragen. Wie sonst ist es möglich, dass bestehende Regeln einfach nicht eingehalten werden? Die Union nimmt einen permanenten rechtsfreien Raum einfach so hin: Nirgendwo werden Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Norden registriert, sondern so schnell wie möglich zum nächsten Grenzübergang transportiert. Es gilt: aus dem Land, aus dem Sinn.
Über die Sache, über sachliche Lösungen für ein sachliches Problem, lässt sich schon lange nicht mehr in Ruhe diskutieren. Nicht in den Parlamenten und nicht in den Medien. Stattdessen profilieren und positionieren sich hier die Extreme, während die Mitte marginalisiert ist.
Es ist hoch an der Zeit, diese Entwicklung umzu-
kehren. Die Bürger haben ein Recht darauf, dass sich auch die Politik an jenes Recht hält, das sie selbst in Kraft gesetzt hat. Ansonsten wird es andere Lösungen geben. Sicher keine besseren.