)
Fünf Ideen zur Zukunft des Radelns nach weltweit größter Fahrradkonferenz.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Sie war mit mehr als 1400 Teilnehmern weltweit die größte Fahrrad-Konferenz in diesem Jahr. In Workshops, Vorträgen und Podiumsdiskussionen befassten sich Verkehrs-Experten und Stadtplaner aus dem In- und Ausland mit der Zukunft des Radfahrens. Doch welche Lehren zieht Wien aus der Velo-City? Und wie will man die Erkenntnisse umsetzen? Die "Wiener Zeitung" beleuchtet die fünf wichtigsten Punkte.
Erstens: Ähnliche Probleme in allen Städten. Stau, Abgase, Lärm, Zersiedelung - immer mehr Städte in Europa und anderen Regionen werden sich der negativen Effekte einer Kfz-zentrierten Mobilitätspolitik bewusst. Die Lösungsansätze sind dabei - egal ob in Adelaide, Ljubljana, New York oder Stockholm - ähnlich. "Es geht um Tempolimits, um Investitionen in die Radinfrastruktur und um Bewusstseinsbildung", sagt Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Auch die Konflikte um Raum für Parkplätze oder Fahrrad-Infrastruktur seien kein spezifisch Wienerisches Phänomen. Vassilakou: "Sie zeigen sich vor allem in jenen Städten, wo der Fahrradverkehr erst im Kommen ist." Ab einer Radfahrerquote von zehn Prozent gehe es dann um ganz andere Fragen. (Derzeit liegt der Anteil der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege in Wien bei 6,3 Prozent, Anm.)
Zweitens: Tempo 30 begünstigt den Radverkehr. In einem waren sich die Experten der Velo-City einig: Keine Maßnahme hebt die Verkehrssicherheit (für alle Verkehrsteilnehmer) so effizient wie das Absenken der Geschwindigkeit. Und mehr Sicherheit wiederum macht das Radfahren attraktiver. Tempo 30 möglichst flächendeckend in Wohngebieten einzuführen, war deshalb zentraler Bestandteil des von zehn Städten beschlossenen Memorandums des "Mayors’ Summit" - eines Bürgermeister-Treffens im Rahmen der Fahrrad-Konferenz.
Drittens: Einbahnen öffnen macht Sinn. Wer die Statistiken nicht kennt, will es oft nicht glauben. Aber: Einbahnen für Radfahrer zu öffnen, hat keine negativen Folgen für Verkehrssicherheit. Im Gegenteil. Städte wie Berlin oder Brüssel, die Radfahrer gegen die Einbahn fahren lassen, machen gute Erfahrungen damit. Nebeneffekt: "Seit der Öffnung der Einbahnen für den Radverkehr sind die Radfahrerzahlen gestiegen", berichtet Ulric Schollaert, Fahrrad-Infrastrukturkoordinator der Stadt Brüssel. Auch die rot-grüne Stadtregierung liebäugelt mit großzügigeren Regelungen und hat sie in den Grundsatzbeschluss zur Förderung des Radverkehrs aufgenommen.
Viertens: Leistungsfähige Hauptradrouten. Wer täglich mit dem Fahrrad in die Arbeit pendelt, will nicht Zickzack-Fahren, Fußgängern in die Quere kommen oder ständig zum Warten verdonnert sein. Ein leistungsfähiges Hauptradroutennetz mit gut ausgebauten Fahrrad-Langstreckenverbindungen steht daher ganz oben auf der Wunschliste aller Fahrrad-Aktivisten. Experten aus dem Ausland, die bei der Velo-City zu Gast waren, bemängelten denn auch in Wien vor allem die fehlende Übersichtlichkeit der Radwege sowie die oftmals konfliktträchtige Radwegeführung.
Fünftens: Radfahren bei Kindern fördern. Die Stadt Wien setzt mit der Schaffung einer eigenen Mobilitäts-Agentur (davor: Fahrrad-Agentur), mit Wettbewerben und der Förderung von Fahrrad-Events auf Bewusstseinsbildung. Auch ist die Fahrrad-Kultur in Wien seit ein paar Jahren äußerst lebendig. Woran es bisher allerdings fehlte - und das zeigt der Vergleich mit anderen Ländern - ist die gezielte Förderung der Jugend. Während etwa Kopenhagen eigene Fahrradspielplätze für Kinder eingerichtet hat und Städte in Italien in Zusammenarbeit mit den Eltern nach Wegen suchen, Kinder mit dem Fahrrad in die Schule kommen zu lassen, blieb Wien bisher zurückhaltend.
"Gerade wenn es um den Themenbereich Kinder, Jugendliche und Schulweg geht, sehe ich noch ein großes Potenzial", sagt der Chef der Wiener Mobilitätsagentur Martin Blum. Vassilakou will sich allerdings auch für diesen Bereich geeignete Maßnahmen überlegen: "Wer schon als Kind mit dem Radfahren beginnt, den braucht man als Erwachsenen nicht mehr davon zu überzeugen, dass Radfahren Spaß macht und sinnvoll ist."
Wissen
Die Velo-City ist die größte internationale Fahrrad-Konferenz. Jedes Jahr wird sie in einer anderen Stadt ausgetragen. Heuer im Juni fand sie im Wiener Rathaus statt. Die Stadt beziffert die Kosten für die Konferenz mit 956.000 Euro. Allerdings ist fließen noch Einnahmen aus Tickets an die Stadt zurück. Der Beitrag der Velo-City zum BIP liegt - externen Schätzungen zufolge - zwischen 1.935.000 Euro und 2.580.000 Euro.