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Was von Horst Pirker bleibt

Von Engelbert Washietl

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Der Vorstandsvorsitzende kehrt Styria den Rücken - kein Erdbeben, aber doch eine Zäsur in Österreichs Medienwelt.


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Wenn der Chef eines großen Medienkonzerns wie Styria zurücktritt - die "Wiener Zeitung" berichtete ausführlich -, so ist das kein Thema, das die Öffentlichkeit erschüttert. Ein Siegfried Wolf, der vom Magna-Konzern nach Russland zieht, bekommt mehr Aufmerksamkeit. Aber einfach über Horst Pirker die Aktendeckel zu schließen, weil er nur noch bis 30. September als Vorstandsvorsitzender die Geschicke der Styria Media Group AG lenkt, wäre eine Verkennung der Realität.

Der Styria-Konzern ist umsatzmäßig vermutlich schon die größte und medienpolitisch die zukunftsträchtigste Mediengruppe Österreichs. Da steckt eine raketenartige Entwicklung seit mehr als zehn Jahren dahinter. Zwar ist der Mediaprint-Konzern mit "Kronen Zeitung" und "Kurier" vergleichsweise eine Dampfwalze, aber er hat seit seiner Entstehung 1988 bei weitem nicht die Innovationskraft gezeigt, die der Styria-Konzern unter Pirker in den vergangenen elf Jahren hinlegte.

Der Styria-Chef lehrte die Managerkollegen vor allem der Zeitungsbranche, dass das 21. Jahrhundert völlig neue Antworten auf das ehrbare Gewerbe des Zeitungsmachens verlangt, das seit rund 400 Jahren ohne komplizierte betriebswirtschaftliche Theorien recht gut funktioniert hat. Nichts geht heute mehr "aus dem Bauch heraus", wie es der vor kurzem verstorbene Gründer der "Neuen Konen Zeitung", Hans Dichand, so eindrucksvoll vorgeführt hat. Auf Österreich zugeschnitten war Dichand der letzte Große der alten Zeitungskultur, Pirker aber der erste, der die Dringlichkeit der Reformarbeit spürte, um dem "Kulturgut Zeitung" die Zukunft zu sichern.

Daraus soll niemand die falsche Meinung ableiten, dass Pirker alle Antworten schon hätte, die dazu nötig sind. Aber er brachte es in seinen fünfeinhalb Jahren als Präsident des Verbands österreichischer Zeitungen zuwege, durch Vernetzungen, Workshops und Serviceleistungen frischeren Wind durch die Medienhäuser blasen zu lassen, so dass sie sich dem ökonomischen Druck nicht völlig passiv auslieferten. Plötzlich probieren rivalisierende Unternehmen Kooperationsmodelle aus, weil wirtschaftliche Solotänze Zwergen nicht anzuraten sind. Freilich ging dabei einiges schief. Auf dem grünen Tisch mochte sich die von Pirker betriebene Fusion der Tiroler Moser Holding mit Styria sinnvoll ansehen - sie scheiterte im vorigen Jahr glorios. Einem Konzernchef wie Pirker, der über sein Berufsfeld sogar eine wissenschaftliche Dissertation schrieb, kann es schon passieren, dass er die menschliche Komponente von Veränderungsprozessen zu gering kalkuliert. Und dass dann etwas, was seiner Wahrnehmung nach genial funktionieren müsste, schon beim Start stecken bleibt.

Das galt auch für seine Einschätzung der Journalisten, für die er eine enorme und in den seltensten Fällen angenehme Herausforderung darstellte. Bei radikaler Anwendung seiner "Content Company"-Theorie würden die Journalisten in den Rang von Plantagenarbeitern auf medialem Großgrundbesitz absinken. Die Journalisten wehrten sich - und erkannten so nebenbei, dass auch sie sich über ihre eigene Funktion ernste Gedanken machen müssen.

All diese Prozesse sowohl im Management - also auch im journalistischen Bereich sind in Gang gekommen und nicht rückrufbar. Und außerdem wird Pirker vermutlich nicht ganz von der Bühne abtreten.

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".