Zum Hauptinhalt springen

Was Wahlen wirklich entscheiden

Von Walter Hämmerle

Politik

Am 24. November ist endlich der Wähler am Wort. Allerdings wird seine Meinung kaum von Bedeutung sein, wenn es darum geht, wer nach den Wahlen regieren soll. Darüber entscheiden nach wie vor die Parteien. Die aber wollen sich nicht festlegen, mit welchem Partner sie eine Koalition einzugehen gedenken. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erläutert der Verfassungsrechtler Manfried Welan, warum die Nationalratswahlen eigentlich ein relativ unwichtiges Ereignis sind.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In Österreich haben die Parteien relativ viel, die Wähler dagegen relativ wenig zu sagen. Dafür verantwortlich ist für Welan die Kombination eines strikten Proporzwahlrechts mit einer politischen Gewaltenverbindung von Parlament und Regierung. Auch der direkt gewählte Bundespräsident ändere an dieser Machtverteilung zu Gunsten der Parteien wenig.

Da die Zeiten absoluter Mehrheiten wohl auf absehbare Zeit passé sind, führen die Notwendigkeit parlamentarischer Beschlüsse und die ständige Gefahr eines Misstrauensvotums zur Bildung von Koalitionsregierungen verschiedener Parteien. Entsprechend ist für Welan weniger das prozentuelle Ergebnis der Nationalratswahlen als vielmehr die Frage, "wer mit wem kann" entscheidend. Die Entscheidung darüber ist jedoch Sache der Parteihierarchien, die in aller Regel gar nicht daran denken, diese Entscheidung an die Wähler zu delegieren. Wer nur immer kann, hält sich entsprechend alle Optionen offen. Rückendeckung für die Strategie erhalten die Parteien vom Wahlrecht, das laut Welan zu einer "Fahrt ins Blaue" einlädt.

Genauso wenig wie über die Regierung entscheiden die Wähler auch über den nächsten Bundeskanzler der Republik - und trotzdem kennzeichnet bislang die Kanzlerfrage diesen Wahlgang.

Kanzlerwahl?

Für Welan ist dies einigermaßen erstaunlich, ergebe doch eine Rechtsanalyse, dass der Bundeskanzler zwar über einige Sonderkompetenzen, nicht jedoch über eine Führerstellung innerhalb der Regierung verfüge. Weder besitzt er eine Richtlinienkompetenz noch eine politische Gesamtverantwortung - und trotzdem konzentriert sich die gesamte mediale Aufmerksamkeit auf die Frage "Wer wird Kanzler?"

Apropos Kanzlerbonus: Trotz phänomenaler Werte stürzte die SPÖ unter Kanzler Klima 1999 ab, die ÖVP erlebt derzeit auch ohne Kanzlerbonus Schüssels einen Höhenflug. Was für Welan die Frage aufwirft, was Demoskopen hier überhaupt erheben.