Kein Plan B: Pleite oder Euro-Austritt Griechenlands wären teure Experimente.
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Athen. Der Blick nach Südamerika ist lehrreich: Argentinien weiß, was es heißt, eine ungeordnete Staatspleite zu erleiden. Das Land war nach 1998 in eine scharfe Rezession gefallen und stellte 2002 – nach gescheiterten IWF-Programmen – seine Schuldenrückzahlung ein. Seither war das Land vom Finanzmarkt ausgeschlossen und musste ohne Fremdfinanzierung auskommen. 2012 könnte man vielleicht an die Kreditmärkte zurückkehren, stellte Finanzstaatssekretär Hernan Lorenzino am Wochenende in Aussicht.
Was wäre, wenn Athen kein Geld mehr von den EU-Partnern und dem IWF erhält, sich selbst insolvent erklärt und die Zins- und Schuldenzahlungen einfach stoppt? Die Folgen wären wohl noch weit chaotischer: Wenn die Finanzmärkte nicht einmal gewillt sind, Athen Kredite zu gewähren, solange diese mit EU-Garantien besichert sind: Wer sollte dann künftige Drachmen-Anleihen zeichnen – geschweige denn, zu leistbaren Konditionen?
Das heißt: Griechenland hätte künftig überhaupt keine Finanzquelle mehr und müsste Sparpakete schnüren, die noch viel brutaler wären als die IWF-Auflagen. Danach müsste das Land mit privaten und staatlichen Gläubigern (im sogenannten Londoner bzw. Pariser Club) über eine Entschuldung verhandeln.
EFSF hängt an Franzosen
"Wenn die Griechen pleitegehen und in der Eurozone bleiben, ist es ganz aus", sagt Finanzexperte Fritz Breuss zur "Wiener Zeitung". Anders als Argentinien könnten die Griechen nämlich nicht die Währung abwerten, um der Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen. Eine Rückkehr zur Drachme wiederum wäre nicht minder fatal: Die Währung würde massiv an Wert verlieren, der Schuldenberg (der in Euro angehäuft wurde) wäre um ein Vielfaches höher. "Es hat schon seinen Grund, dass man die Pleite- und Austritts-Ideen nie aus Griechenland selbst gehört hat", sagt Breuss.
Bei einer Umschuldung wäre Griechenlands Finanzsektor kaputt, daneben würden Europas Banken massiv getroffen. Es könnten einige Institute kippen, bei denen der Staat einspringen müsste – allen voran französische Banken. Keine schöne Perspektive: Das würde nämlich bedeuten, dass die ohnehin wackelnde Bonität Frankreichs (das Triple-A) dahin wäre. Damit wäre dem Euro-Rettungsfonds EFSF der Boden weggezogen: Die vorbildliche deutsche und französische Kreditwürdigkeit sind die Voraussetzung dafür, dass sich dieser günstige Kredite für die Hilfsgelder beschaffen kann – die anderen Triple-A-Länder wie Österreich und Niederlande sind zu klein, um ins Gewicht zu fallen und die zusätzlichen Kosten aufzufangen. Und ein höherer Garantieanteil Deutschlands würde dort erst recht keine parlamentarischen Mehrheiten mehr erhalten. Dasselbe wäre wohl der Fall, wenn der IWF nicht mehr weiter gewillt ist, seinen Drittel-Anteil an den Griechenland-Hilfen mitzutragen und die Euroländer einspringen müssten.
Integration gescheitert
Abgesehen von den ökonomischen Verwerfungen gibt es kein rechtliches Modell für einen Euro-Austritt: Die EU-Verträge sehen seit Lissabon zwar vor, dass ein Land aus der EU austreten kann. Ein Austritt "nur" aus der Währungsunion ist hingegen nicht vorgesehen. Politisch müsste man sich zudem die Frage stellen, ob mit einem Ausscheiden Griechenlands die europäische Integration als Ganzes nicht infrage gestellt wäre.
Dass die Finanzmärkte nach einer Griechen-Pleite darauf spekulieren, dass Portugal, Irland, Spanien und Italien ebenfalls bankrott werden, glaubt Breuss nicht. "Mit den neuen EFSF-Kompetenzen könnte eine Ansteckung vermutlich verhindert werden – allerdings haben wir diese Beschlüsse noch nicht."