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Enorm wichtig in der Produktion von Nahrungsmitteln. | Nicht wegen des Honigs, sondern der Bestäubung wegen. | Würzburg. "Wenn die Bienen verschwinden", hat Albert Einstein einst behauptet, "hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr." Diese Behauptung ist leicht übertrieben. Tatsächlich hat es den Indianern Nordamerikas nicht allzu sehr geschadet, dass die Honigbiene erst im frühen 17. Jahrhundert mit den europäischen Siedlern zu ihnen gelangt ist.
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Trotzdem hat Einstein im Wesentlichen Recht. Ohne jeden Zweifel ist die Honigbiene eines der wichtigsten Haustiere überhaupt. Allein von ihr werden nämlich 80 Prozent aller Nutzpflanzen bestäubt. Man schätzt, dass die Nahrungsmittel-Produktion in kürzester Zeit um nicht weniger als ein Drittel zurückgehen würde, wenn man ganz ohne die Bestäubungs-Dienstleistungen der Bienen auskommen müsste.
Als es Anfang des Jahres 2007 in den USA zu einem mysteriösen Massensterben von Bienenkolonien kam, setzten verzweifelte Obst- und Gemüsebauern zur Bestäubung ihrer Pflanzen Hummeln, weitere Insektenarten und sogar gigantische Ventilatoren ein. Dabei zeigte sich sehr deutlich, dass die Bienen durch nichts zu ersetzen sind, wenn es darum geht, die Fortpflanzung der Blütenpflanzen zu gewährleisten.
Der Würzburger Zoologe Jürgen Tautz hat errechnet, dass die Mitglieder eines Bienenvolks im Frühling und Sommer durchschnittlich 7,5 Millionen Flüge zu den Blütenkelchen unternehmen und so insgesamt 20 Millionen Kilometer zurücklegen. Dabei werden etwa 30 Kilogramm Pollen und 600 Kilogramm Nektar in den Stock geschafft.
Informationsmittel
Stößt eine Biene auf eine ertragreiche Futterquelle, unternimmt sie zunächst mehrere Flüge, um den kürzesten Weg zum Nest zu finden. Danach teilt sie ihren Artgenossen durch eine bestimmte Folge von Tanzbewegungen mit, in welcher Richtung zur Sonne und in welcher Entfernung vom Stock ergiebige Blütenkelche zu finden sind. Dabei versetzt sie das Wachs des Wabenbodens behutsam ins Schwingen, und diese Vibrationen verbreiten sich wie Funkwellen über den gesamten Untergrund. Auf diese Weise können im völlig finsteren Stock alle erforderlichen Informationen schnell und zuverlässig übermittelt werden.
Allerdings ist die Tanzsprache keineswegs einheitlich, und Bienen, die von verschiedenen Kontinenten stammen, scheinen sich nicht miteinander verständigen zu können. Aber der Schein trügt. Bienen sind ohne weiteres in der Lage, Fremdsprachen zu lernen. Gerade erst ist es dem Team von Tautz in Kooperation mit Wissenschaftern aus China und Australien erstmals gelungen, europäische und asiatische Bienen zu funktionierenden Völkern zu vereinigen, indem man die spezifischen Erkennungsdüfte durch einen dritten, künstlichen Geruch überdeckte. "Das Kommunikationssystem der Bienen ist also sehr anpassungsfähig und keineswegs unflexibel, wie man es für Insekten eigentlich erwarten sollte", erklärt Tautz.
Kilometerzähler
Doch wie messen die Bienen ihre Fluggeschwindigkeit und die von ihnen zurückgelegte Entfernung? Bisher hat man angenommen, dass sie das an ihrem Energieverbrauch ablesen können. Doch nach Tautz´ Erkenntnissen verfügen sie über einen optischen Kilometerzähler, der sich an den während der Flüge vorbeiziehenden Bildern orientiert. Dieser Kilometerzähler läuft desto langsamer, je monotoner das überflogene Terrain ist.
Allerdings ist das Sammeln von Nektar und Pollen immer das Privileg der ältesten und intelligentesten Mitglieder des Bienenstocks. Denn dieser Job ist nicht nur der gefährlichste, sondern auch der geistig anspruchsvollste. Die Bienen hingegen, die in der übersichtlichen Umgebung des Stocks hocken bleiben, kommen mit wenig Intelligenz aus und können eine ruhige Kugel schieben.
Spezialistinnen
Erstaunlich ist, auf welche Vielfalt von Tätigkeiten sie sich spezialisiert haben. So gibt es u. a. Fluglotsinnen, Tankwartinnen, Polleneinstampferinnen, Heizerinnen, Wächterinnen, Bestatterinnen, Ammen und Hofdamen. Über allen thront die Königin, die ständig ein Bindungspheromon produziert, um ihr Volk zusammen zu halten. Doch was passiert, wenn aus dem Bienenstock entweder alle Sammlerinnen oder alle Spezialistinnen außer den Sammlerinnen entfernt werden? Tautz und sein Team haben das experimentell erforscht. Ihr Befund:
Innerhalb kürzester Zeit ist die alte Organisation der Arbeitsteilung vollständig wieder hergestellt. Die Bienen bringen das selbst zu Stande. Sie züchten sich die benötigten Arbeitskräfte heran, indem sie ihren Nachwuchs während des Larven- und Puppenstadiums unterschiedlichen Umgebungstemperaturen aussetzen.
Gar nicht monogam
Noch bis vor kurzem hat man geglaubt, dass sämtliche weiblichen Mitglieder eines Bienenvolkes als Töchter derselben Königin 75 Prozent der Gene gemeinsam hätten und sich wegen dieser engen Verwandtschaft ohne zu zögern für die Gemeinschaft aufopfern würden. Doch mittlerweile weiß man, dass die Königinnen alles andere als monogam sind und sich gern von Dutzenden von Drohnen begatten lassen.
Unwahr ist auch, dass eine Biene Selbstmord begeht, wenn sie einen Menschen sticht. Sie hat nur das Pech, dass die Evolution ihr einen Giftstachel verpasst hat, um damit feindliche Artgenossen zu bekämpfen. Bienen, die Bienen stechen, sterben daran nicht. Auch die Auffassung, dass Bienen Honig produzieren, um sich davon zu ernähren, ist falsch. In erster Linie dient der Honig als Brennstoff, denn im Stock müssen Heizerinnen ständig dafür sorgen, dass es dort zwischen 36 und 37 Grad warm ist.