Beim geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA geht es um viel mehr als bloß um Wirtschaftsbeziehungen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA ist in Europa umstritten. Vor allem die deutschsprachige Bevölkerung macht sich Sorgen um die negativen Auswirkungen, die TTIP auf unsere Gesundheit und Rechte haben könnte. Aber was passiert eigentlich, wenn TTIP nicht abgeschlossen wird?
2014 erklärte der US-Handelsbeauftragte Michael Froman im Magazin "Foreign Affairs" die außenpolitischen Ziele der USA, die durch neue Handelsbeziehungen erreicht werden sollen. Dabei geht es vor allem um Einfluss. Laut Froman gehen Handelsabkommen zwischen Ländern über die wirtschaftliche Verbundenheit hinaus und machen sie vielmehr zu international einflussreichen Partnern, die gemeinsam Druck auf andere Länder ausüben können. Ein Beispiel dafür sind die Wirtschaftssanktionen gegen Russland als Reaktion auf die Krim-Krise. Da auch Russland ein Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) ist, geht das Embargo eigentlich nicht in Ordnung. Denn die Mitgliedstaaten der WTO haben sich verpflichtet, jedes Mitgliedsland gleich zu behandeln: Baut Land A für Land B die Zölle für bestimmte Produkte ab, muss es dasselbe auch für Land C tun. Eine Ausnahme besteht nur, wenn Land A und Land B Teil eines Freihandelsabkommens sind.
Somit bieten diese Abkommen die Möglichkeit der Diskriminierung. Die EU-Länder haben sich Wirtschaftsvorteile eingeräumt, die andere WTO-Mitglieder, wie etwa die Schweiz, nicht automatisch auch haben. Das heißt auch, dass die EU und die USA durch TTIP andere Länder im Handel benachteiligen könnten, etwa weil diese sich nicht an TTIP-Regeln halten, wozu zum Beispiel das Verbot von Kinderarbeit zählt. Da TTIP die größte Freihandelszone der Welt wäre, könnten ihre Regeln nicht ignoriert werden.
Das Gleiche gilt allerdings auch für die Transpazifische Partnerschaft (TPP) der USA mit verschiedenen Pazifikstaaten, die schon ausverhandelt ist. Froman sieht auch in diesem Abkommen einen Weg, die Regeln des internationalen Handels neu zu gestalten - nach US-Standards. Ziel von TPP ist ein Handelsabkommen im Ausmaß von rund 40 Prozent des weltweiten BIP, das mit US-Werten im Einklang steht. Zum Vergleich: Die EU macht fast 26 Prozent des globalen BIP aus, TTIP wäre mehr als 45 Prozent. Ersetzt man militärische durch wirtschaftliche Stärke, wird klar, was Froman meint, wenn er vom "strategischen Einfluss" der USA redet. Mit beiden Abkommen könne der US-Machtverlust der vergangenen Jahre ausgeglichen werden.
Und wenn wir nicht mitmachen? Für Europa sind die USA der wichtigste Exportempfänger und die drittwichtigste Importquelle. Genauso wie wir mit TTIP Druck auf andere Länder ausüben könnten, sind durch TPP wirtschaftliche Konsequenzen für uns möglich. Die Frage ist deshalb, wie sehr wir auf Produkte aus den TPP-Ländern angewiesen sind, und vor allem, ob wir Exportverluste in diese Staaten hinnehmen könnten. Wenn nicht, könnte uns ein Nein zu TTIP negativ treffen. Und nicht nur das: Um uns trotzdem weiterhin aktiv am Welthandel zu beteiligen, könnte es sein, dass wir uns am Ende doch den US-Standards beugen müssen, ohne Mitspracherecht.