Unterschiedliche Länder, unterschiedliche Betrachtungsweisen: Die emotionale Heftigkeit, mit der die Diskussion rund um Temelín in Österreich geführt wird, stößt in Tschechien großteils auf Unverständnis. Der tschechische Schriftsteller Pavel Kohout plädiert für mehr Gelassenheit auf beiden Seiten.
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Diplomatische Taktik hatte er nicht nötig. Daher konnte Pavel Kohout unverblümt sagen, was er von einer Veto-Drohung Österreichs in der Temelín-Frage halte: "Die Rolle des Petrus, der mit dem goldenen Schlüssel uns das Tor zur EU öffnet, steht Ihnen nicht zu."
Bei einer Konferenz zum Thema "Österreich und die Tschechische Republik im zusammenwachsenden Europa" nahm er zu der wieder anschwellenden Debatte Stellung - und machte aus seiner Ablehnung der Grenzblockaden durch AtomkraftgegnerInnen keinen Hehl. Denn dadurch würden "unschuldige Bevölkerungsschichten" in den Streit hineingezogen.
"Ich war bestürzt, als ich an der Grenze österreichische Kinder sah, und auf der anderen Seite tschechische Kinder." Was werde ihnen eingebläut, fragte der Schriftsteller, um gleich darauf eine mögliche Antwort zu geben. Den Österreichern werde der Eindruck vermittelt, dass Tschechen Monster seien, die sich nicht um die Sicherheit anderer sorgen; den Tschechen, dass Österreicher Egoisten seien, "die uns nicht erlauben, das zu tun, was wir wollen".
Die Kluft in den Köpfen ließe sich nur durch Eingeständnisse überbrücken. "Es bleibt uns wohl nichts anderes über, als hinzunehmen, dass Temelín ein tschechischer "content" ist und Antiatompolitik ein österreichischer." Vielleicht liegt darin der goldene Schlüssel - zu einem konstruktiveren Dialog.