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Was würde Dag Hammarskjöld tun?

Von Jodok Troy

Gastkommentare
Jodok Troy ist Referent für Kirche, Arbeit und Wirtschaft im Haus der Begegnung der Diözese Innsbruck und Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft in Innsbruck.

Bei Syrien wird den Vereinten Nationen jetzt die Rechnung für die Interventionen in Libyen präsentiert.


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Kofi Annan, der erste Sondergesandte für Syrien, hat einst als Handlungsmaxime für den Umgang mit Konflikten die Frage angegeben: Wie hätte Dag Hammarskjöld gehandelt? Hammarskjöld (1905 bis 1961), der zweite Generalsekretär der Vereinten Nationen (1953 bis 1961), war ein Diener der internationalen Gemeinschaft, der in seiner Funktion Meilensteine, etwa die Einführung der Blauhelmsoldaten, gesetzt hat. Angesichts der Resignation von Annan und der Einsetzung von dessen Nachfolger Lakhdar Brahimi als Syrien-Vermittler ist diese Frage berechtigt. Auch Hammarskjöld fand einen oft gehemmten UNO-Sicherheitsrat vor, wenn es um Interventionen ging.

Zwar gibt es kein abschließendes Urteil über die Effizienz humanitärer Interventionen durch die Vereinten Nationen, Interventionen existieren aber bereits in Syrien: von diplomatischen Aktivitäten über Sanktionen bis hin zur Unterstützung von Aufständischen. Die Frage, die sich dabei stellt, ist jene, wie es weitergeht. Humanitäre Interventionen sind die Ausnahme von der Regel der Achtung staatlicher Souveränität. Als solche sind sie sinnvoll, weil Ausnahmen immer notwendig, Prinzipien nie absolut sind.

Das ethische Problem, welches sich angesichts der Frage von Interventionen stellt, ist vielmehr die Erfahrung, dass die damit einhergehende angestrebte Verpflichtung zum Multilateralismus vielfach eine beliebige wird. Eine "Koalition der Willigen" (und Fähigen) hat sich im Vorjahr in Libyen mit Legitimität der Vereinten Nationen konstituiert und wird es vielleicht auch in Syrien tun. Gerade dort wird jetzt aber die Rechnung für die Intervention in Libyen präsentiert. Die Sicherheitsratsresolution 1973 zum Schutz von Zivilisten wurde willkürlich hin zu einer Ermächtigung zum Regimewechsel genutzt. Russland und China haben damals der Resolution zugestimmt. Aber auch gesehen, wozu sie genutzt wurde.

Was also können wir lernen von Hammarskjöld angesichts einer möglichen Ausweitung der Intervention in Syrien, auch mit militärischen Mitteln? Zum einen, den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen treu zu bleiben, dabei aber immer realistisch auf die Zukunft zu blicken und die Konsequenzen abzuwägen. Es reicht nicht aus, bloß das Ziel (etwa "no kill zones") zu kennen.

Zum anderen geht es nicht um die Frage, wie Ethik und internationale Politik zusammengehen, sondern wie man mit Ethik in der Politik umgeht. Drittens braucht es Diener der internationalen Gemeinschaft, die die UNO als flexibles Instrument nutzen. Ähnlich den Konflikten der Großmächte, in die Hammarskjöld als UNO-Generalsekretär hineingezogen wurde, präsentiert sich die Lage heute. Andere Rahmenbedingungen, wie die Sichtbarkeit von systematischen Menschenrechtsverletzungen, haben sich jedoch geändert. Was bleibt, ist die Nachfrage nach charismatischen Führungspersönlichkeiten, die nicht primär der "Konferenzmaschine", sondern neutral und hingebungsvoll deren Prinzipien dienen. Dag Hammarskjöld, mehr General denn Sekretär, war so jemand.