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Was wusste Bush und wann?

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Washington - Die Diskussion darüber, ob die Regierung Bush Warnungen vor Anschlägen des El-Kaida-Netzwerkes im letzten Sommer nicht ausreichend ernst genommen hat, haben zwar bisher kaum Auswirkungen auf die Popularität des Präsidenten, aber mehr als die Hälfte der Amerikaner hegt laut einer von der "Washington Post" veröffentlichten Umfrage Zweifel an der Fähigkeit der Regierung, künftige Anschläge zu verhindern.


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Seit in der Vorwoche bekannt geworden war, dass es bereits im Juli und August 2001 Warnungen vor El-Kaida-Anschlägen und möglichen Flugzeugentführungen gegeben hatte, kämpfen Präsident Bush und seine Umgebung mit ernsten politischen Problemen. Der Präsident hatte zwar anfangs gemeint, die Angriffe kämen aus wahltaktischen Gründen vor den Mid-Term-Wahlen im November, aber die Mehrheit der US-Bürger sieht die Lage doch etwas anders und möchte wissen, was die Bush-Administration wann von den drohenden Anschlägen wusste und was sie unternommen hat. Eine Mehrheit der Amerikaner will diese Fragen auch durch den Kongress untersucht wissen, wogegen sich Bush und seine Umgebung aber bisher strikt ausgesprochen haben. 68 Prozent dem Demokraten und 61 Prozent der Unabhängigen wollen eine Kongressuntersuchung des ganzen Fragenkomplexes, aber nur 37 Prozent der Republikaner wären dafür.

Gespalten sind die US-Bürger auch in der Frage, ob die Regierung den Inhalt der Geheimdienstinformationen bekannt geben soll, die sie im letzten Sommer in Hinblick auf terroristische Gefahren erhalten hat. Je 47 Prozent sprechen sich dafür oder dagegen aus. Sechs von zehn Demokraten und jeder zweite Unabhängige wollen es genauer wissen, aber nur ein Drittel der Republikaner.

Das Nachrichtenmagazin "Newsweek" kündigte in seiner jüngsten Ausgabe auf der Titelseite an "Was Bush wusste". Im Blattinneren lief die Story dann unter der Schlagzeile "Was schief ging".

Bis jetzt ist nach Presseberichten jedenfalls bekannt geworden, dass es bereits 1999 in einem Bericht Warnungen davor gab, dass Bin Laden plane, Flugzeuge entführen zu lassen und sie auf das Weiße Haus, das Pentagon oder die CIA-Zentrale zum Absturz bringen könne. Warnungen vor derartigen Szenarien gab es bereits seit 1994. Zwischen Jänner und September 2001 gab es 15 Memoranden der Bundesluftfahrtbehörde, in denen vor möglichen inneramerikanischen Flugzeugentführungen gewarnt wurde. Am 5. Juli fand im Weißen Haus ein Treffen statt, in den Anti-Terror-Experten vor einem bevorstehenden größeren Anschlag in den USA warnten. Am 10. Juli warnte die FBI-Außenstelle in Phoenix, dass eine ungewöhnlich hohe Zahl von Männern aus dem Nahen Osten in US-Flugschulen Unterricht nehmen und spekulierte darüber, ob sie zu Bin Ladens Netzwerk gehören. Der Bericht wurde von der FBI-Zentrale nicht weiter verfolgt.

Am 6. August wurde Präsident Bush auf seiner Ranch in Crawford über mögliche Attacken Bin Ladens informiert, wobei konkret auch auf Flugzeugentführungen hingewiesen wurde. Nur 11 Tage später wurde in Minnesota Zacarias Moussaoui festgenommen, nachdem Fluglehrer dem FBI einen Hinweis gegeben hatten, dass er planen könnte, "etwas in das World Trade Center zu fliegen".

Nach den jüngsten Enthüllungen überstürzt sich die Bush-Administration jedenfalls tagtäglich mit Warnungen.

Nach Vizepräsident Dick Cheney, der am Sonntag vor neuen Anschlägen gewarnt hatte, meinte FBI-Chef Robert Mueller, dass Anschläge von Selbstmordattentätern wie in Israel auch in den USA nicht zu vermeiden seien. Der TV-Sender ABC berichtete unter Berufung auf US-Geheimdienstexperten, dass es Ende März ein Geheimtreffen von Anhängern des El-Kaida-Netzwerkes mit Vertretern der radikalislamischen Hamas und der Hisbollah gegeben habe, in der eine gemeinsame Strategie besprochen worden sei.

Die US-Behörden haben auch Österreich vor einem möglichen Terroranschlag gewarnt. Allerdings habe diese Warnung im Gegensatz zu jener an die Türkei, wonach Terroristen den Flughafen von Istanbul im Visier haben könnten, keine konkreten Angaben enthalten, sagte Innenministeriumssprecher Rudolf Gollia am Dienstag.