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Was zählt ein Versprechen?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Was ist ein Wahlversprechen wert?

Alexis Tsipras bereitet diese Frage derzeit schlaflose Nächte, und das Gleiche gilt wohl auch für Petro Poroschenko. Der eine wurde von den Griechen - jedenfalls von jenen 36,3 Prozent, die Syriza bei einer Wahlbeteiligung von 64 Prozent die Stimme gaben - gewählt, weil er ihnen das Ende des Troika-Hilfsprogramms und der damit verbundenen Bevormundungen versprochen hatte. Der andere erklärte in seinem Wahlkampf, mit ihm als Präsident werde die Ukraine die Krim von den Russen zurückholen und die Separatisten im Osten besiegen.

Um beide Versprechen ist es - aus unterschiedlichen Gründen - nicht gut bestellt.

Versprechen sind zu halten, weiß der Volksmund. Doch beharren Tsipras und Poroschenko auf ihren Zusagen, riskieren sie eine weitere Verschärfung der ohnehin prekären Situationen in Griechenland und der Ukraine. Am Ende könnte, verquere Welt, der Bruch eines gegebenen Versprechens einen Beitrag zur Verbesserung der Lage darstellen.

Für die Politik gelten in Sachen Wahrhaftigkeit ohnehin andere Maßstäbe. Zyniker sind überzeugt, dass selber schuld ist, wer wahlkämpfenden Politikern Glauben schenkt. Alle anderen sehnen sich trotzdem nach Volksvertretern, die auch nach Wahlen halten, was zuvor versprochen wurde. Faktum aber ist: Die Geschichte ist voll von Politikern, die ihre Versprechen nicht einhalten konnten oder wollten. Um an die Macht zu kommen oder an dieser zu bleiben, ist manchen vieles recht. Politiker und Parteien, die so handeln, können sogar sicher sein, auf großzügiges Verständnis bei Experten zu stoßen. Dass Wahlkämpfe Zeiten fokussierter Unintelligenz zu sein haben, ist quasi akzeptiert.

Schluss mit lustig ist erst dann, wenn aus Wahlkampf Ernst wird. Unser Konzept der friedlichen Konfliktaustragung steht und fällt mit dem Vertrauen darauf, dass sich unter der Last der Verantwortung, die demokratisch erworbene Macht mit sich bringt, auch die Perspektive verändert: Jetzt tritt das politisch Machbare an die Stelle des Wünschenswerten. Wahlkampfversprechen haben gemäß dieser Logik keinen Platz.

Die Glaubwürdigkeit von Politik bleibt damit unweigerlich auf der Strecke. Dagegen gibt es nur ein Rezept: den Bürgern schon vor Wahlen reinen Wein einschenken.