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Was zu tun ist

Von Alexander Van der Bellen

Gastkommentare
© © Die Grünen Österreich

Zur Bewältigung der Krise der Eurozone sind mindestens sechs Schritte zu tun.


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Erstens, illiquide von insolventen Staaten unterscheiden. Griechenland ist insolvent. Das verlangt ein geordnetes Ausgleichsverfahren mit deutlichem Schuldenschnitt. Das wird - zweitens - bedingen, dass einige Banken rekapitalisiert werden, mithilfe der EFSF, der EZB, und/oder der Mitgliedstaaten.

Drittens, kollektive und simultane Austerity-Maßnahmen in der Eurozone würgen Wachstum ab. Ohne Beschleunigung des Wirtschaftswachstums kommen aber weder Griechenland noch die anderen Länder aus der Misere heraus. Das bedeutet nicht, die Bemühungen um Budgetkonsolidierung aufzugeben. Aber Staatsausgaben so wie Steuern und Abgaben sind so umzustrukturieren, dass Wachstumsimpulse entstehen. Ein kleines Beispiel: Einführung beziehungsweise Erhöhung von Erbschaftsteuern bei gleichzeitiger Senkung der Abgaben auf Arbeitseinkommen.

Viertens, rund um die vorübergehend illiquiden, aber nicht insolventen Mitgliedstaaten ist eine Feuerwand gegen Panikreaktionen der Finanzmärkte zu errichten. Das ist der Sinn der jetzt zur Reform anstehenden European Financial Stability Facility beziehungsweise ihres vermutlichen Nachfolgers ab Mitte 2013, des European Stability Mechanism. (Für Dauertransfers an insolvente Staaten sind weder EFSF noch ESM geeignet.) Das wird aber angesichts der Hysterie der Finanzmärkte - manche sagen vornehm: ihrer extremen Risikoaversion - nicht unbedingt reichen. Bei einer ernsthaften Spekulation gegen Italien sind auch die (effektiven) 440 Milliarden Euro der EFSF nicht genug Wasser in den Feuerwehrschläuchen. Jeder nationale Anleihenmarkt der Eurozone ist aufgrund seiner Kleinheit extrem anfällig gegen Fluchtreaktionen der Gläubiger, die die Zinsen der Neuverschuldung in kürzester Zeit hinaufschnellen lassen.

Eurobonds sollten daher, fünftens, die Antwort sein: Anleihen, die von den Mitgliedstaaten gemeinsam begeben werden. Auch wenn man Eurobonds auf 60 Prozent des BIP limitiert, wird dieser Anleihemarkt an Größe und Liquidität dem US-amerikanischen sehr nahe kommen; dieses massive Signal an die Finanzmärkte, dass die Eurozone es mit der Verteidigung der Währungsunion ernst meint, entmutigt die Spekulation.

Sechstens: Hier kommen nolens volens Milliarden an Euro in Bewegung, aber parlamentarische Mitwirkung und Kontrollrechte sind bestenfalls rudimentär vorhanden. Vor allem EFSF und ESM sind hybride Konstrukte jenseits der EU-Verträge, die zwar die jeweiligen Rollen von EU-Kommission, EZB und nationalen Regierungen regeln, das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente aber außen vor lassen. Schauen wir uns an, ob der Deutsche Bundestag am 29. September zur EFSF beschließt, den Abgeordneten mehr Rechte einzuräumen. Was den Deutschen recht ist, wird anderen Parlamenten billig sein.

Alexander Van der Bellen ist Nationalratsabgeordneter der Grünen. Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.