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Washington arbeitet an Asien-Krieg

Von Ritt Goldstein

Politik

Erst Ende vergangener Woche ließ Nordkorea wieder einmal seine Muskeln spielen und drohte der Welt zu zeigen, über welche Atomwaffengewalt das kommunistische Land verfügt. Die USA schienen jedoch wenig beeindruckt, ihr Kampf gegen Staaten, die die "Weltsicherheit gefährden", geht jedoch weiter. "Sie sehen Nordkorea als unerledigte Angelegenheit und sie werden sie zu Ende bringen", prophezeite John Pike, Direktor von Global Security, einer angesehenen Verteidigungs-Denkfabrik in der Nähe von Washington. Er fügte hinzu, dass die US-Marineübungen im Coral Sea - ein Teil von Präsident George Bushs Sicherheits-Kampagne PSI - "Vorbereitung für die Machtübernahme in Nordkorea" seien.


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Vor einigen Monaten hatte Pike in einem Interview mit der britischen Zeitung "Guardian" den Irak-Krieg als die Einstiegsphase für eine viel breitere Kampagne der Bush-Regierung dargestellt. Er betonte kurze Zeit später in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" erneut, dass Nordkorea und der Iran für einen Regimewechsel vorgesehen seien. "Die gemeinsame Truppenübung ist eine Militäroperation, die der US-Attacke gegen uns vorangeht", so ein offizielles Statement Nordkoreas Mitte September.

Auch der frühere US-Präsident und Nobelpreisträger Jimmy Carter warnte vor der "hohen Wahrscheinlichkeit eines neuen Korea-Krieges". Er sagte, dass die Situation sich "rasch zuspitze". Etliche von der US-Regierung gesetzte Maßnahmen würden Pjöngjang provozieren und die tiefsitzende Furcht vor einer US-Attacke bestärken. Unter den derzeit herrschenden Umständen könnte aber auch Nordkorea eine "selbstmörderische, aber vernichtende Militärattacke" starten, so Carter. Experten aus dem Pentagon befürchten bis zu eine Million Tote am ersten Tag eines Korea-Konflikts.

Waffen für Südkorea

Die USA bereiten sich bereits seit längerem auf eine solche Eventualität vor. Mit Mitte September wurde begonnen, das Korea-Budget aufzustocken, etwa mit 11 Mrd. Dollar zusätzlich für die Verbesserung der südkoreanischen Verteidigung. Im Zuge dessen soll das hoch entwickelte PAC-3-Raketensystem installiert werden. Es wurde entworfen, um Raketen, Marschflugkörper und Flugzeuge abzufangen und ist derzeit außerhalb der USA nur noch im Irak im Einsatz. Außerdem wurde vom Pentagon eine Reihe von unbemannten Spionageflugzeugen zur Verfügung gestellt, um eine Echtzeit-Überwachung nordkoreanischer Aktivitäten zu haben.

Für Nordkorea ist Bush im Begriff, "seine Kriegsvorbereitungen" abzuschließen. Er selbst spielt jedoch derzeit einen Militäreinsatz herunter.

Historische Parallelen

Bezeichnenderweise wurde im Jahr 1993, als das Pentagon "chirurgische Angriffe" auf nordkoreanische Atomwaffenbasen überlegte, das PAC-3-Vorgängersystem nach Seoul transferiert. Aber es gibt nicht nur historische Parallelen zur jetzigen Krise. Diese ist steht auch in engem Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen Japan und Südkorea und jenen der beiden Koreas mit den USA und mit Japan.

Nordkorea verlangt direkte Verhandlungen mit den USA, da diese und nicht Südkorea den Vertrag unterzeichneten, der den Korea-Krieg beendete. Bis heute unterstehen alle Soldaten in der etwa 650.000 Mann starken südkoreanischen Armee - bis auf eine Hand voll Eliteeinheiten - im Kriegsfall den USA. Bis 30. November 1994 war das auch in Friedenszeiten der Fall, obwohl bereits sieben Jahre zuvor die Demokratie in Südkorea Einzug hielt, die Militärregime ablöste, die von den USA unterstützt wurden.

Einer von Südkoreas namhaften Diktatoren, General Park Chung-hee - verantwortlich für das sogenannte "Wirtschaftswunder" des Landes - war ein Nationalist. Deshalb versuchte er, den Einfluss der USA und die Abhängigkeit Südkoreas von Amerika zu mindern. In den späten 70er-Jahren startete er ein Atomwaffenprojekt, das bis 1985 fertiggestellt werden sollte. Aber im Oktober 1979 wurde er von seinem Geheimdienstchef ermordet. Dieser galt als das Hauptbindeglied in der Kommunikation zwischen den USA und Park. Während diese Tat das Ende des südkoreanischen Atomwaffenprojektes bedeutete, hatte Nordkorea damals bereits begonnen, ein eigenes Projekt zu starten - jenes das heute Schlagzeilen macht.

Japan wechselt die Seiten

Berichte über einen möglichen US-Militärangriff auf Nordkorea gelangten vergangenen Winter und dann wieder im Sommer an die Öffentlichkeit. Hinweise auf eine neuerliche Aufrüstung in Japan haben Befürchtungen in den beiden Koreas, aber auch in China bestärkt. Veröffentlichten Gerüchten zufolge versuchte Japan kürzlich, einige Gesetze zu ändern, um Truppen ins Ausland entsenden zu können. Angeblich für einen Irak-Einsatz, aber eine Stationierung in Korea könnte das längerfristige Ziel sein.

Bisher hatte Japan versucht, militärische Aktionen der USA in Nordkorea zu beschränken, da Japan der zweitgrößte Handelspartner des nördlichen Teils Koreas ist. Jetzt hat sich der Inselstaat jedoch Bushs "Proliferation Security Initiative" (PSI), einer Initiative zur "Verbreitung der Sicherheit", angeschlossen. Nordkorea beschuldigte Japan daraufhin, dass es einen Angriff gegen den Handelspartner plane.

Im März berichtete der britische Nachrichtensender BBC, dass Japan einen Präventivschlag plane für den Fall, dass es Anzeichen für einen Raketen-Angriff Nordkoreas gebe. Dieser Schritt sei von Präsident Bush begrüßt worden. Er forderte Japan auch auf, eine klarere militärische Position zu beziehen, die Beteiligung an PSI sei ein Teil davon.

Initiative als Hexenjagd?

Von Anfang an hat Washington PSI als ein Programm zur Bekämpfung der Verbreitung und dem Verkauf von Massenvernichtungswaffen, sowie deren Komponenten und notwendiger Technologien, bezeichnet. Die Initiative wurde von Präsident Bush am 10. Mai in Polen vorgestellt. Andere Länder schlossen sich sofort an.

Unter PSI sind die Mitglieder aufgefordert, die Versendung solcher Teile zu Wasser, Luft und Land zu unterbinden. Die Initiative nahm vergangenen Dezember Gestalt an, als ein Schiff mit nordkoreanischer Crew geentert wurde, das Raketen für den Jemen geladen hatte. Die Fracht war nach internationalem Recht jedoch legal und die USA mussten das Schiff weiterfahren lassen. Es wurde jedoch PSI ins Leben gerufen.

Kritiker der Initiative haben die Maßnahmen unter PSI aber als kaum wirkungsvoll im Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bezeichnet. Die Komponenten seien oft sehr klein und könnten einfach versteckt werden. Das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS), eine internationale Verteidigungs-Denkfabrik mit starken Bindungen zu Regierungen, stellte auch fest, dass die Handhabung von PSI durch die Bush-Regierung "wachsende Befürchtungen verschlimmern könnte, wonach die US-Regierung PSI nur benutze, um Druck auf die Staaten der ,Achse des Bösen' ausüben zu können." Die Initiative diene dabei als Vorwand, um internationale Verträge und gesetzliche Barrieren zu umgehen.

Nordkorea im Fadenkreuz

Chalmers Johnson, ein angesehener Asien-Fachmann, schreibt in seinem Buch "Blowback: The Cost and Consequences of American Empire", dass Nordkorea "weniger ein Schurkenstaat als eine stolze und verzweifelte Nation am Ende ihrer Kräfte" sei. Nordkorea bezieht jedoch den Großteil seiner harten Währung aus Waffenhandel. Waffen sind tatsächlich auch das einzige, was Nordkorea exportiert, da der Großteil der Industrie auf Verteidigung ausgerichtet ist.

Wiederholt gab es Meldungen wonach solche Hartwährungsflüsse nach Nordkorea abgestellt werden sollen. "Nordkoreas Einnahmen in harter Währung sollen verringert werden", sagte ein "hochrangiger US-Beamter" gegenüber der "Washington Post" über einen Teilaspekt der Bestrebungen der US-Regierung. Anfang Juni startete Japan eine bürokratische Kampagne gegen einen Fährdienst, der als eine von Nordkoreas Einnahmequellen für harte Währung galt. "Verschärfte Sicherheitsinspektionen" und ähnliche Taktiken zwangen die Betreiber dann zur Einstellung des Dienstes.

Nordkorea ist ein erklärtes Ziel von PSI, einem Programm, das das geistige Kind der USA unter dem Minister für Waffenkontrolle und internationale Sicherheit, John R. Bolten, ist. Vor seiner Tätigkeit in der Regierung war Bolton Vizepräsident des American Enterprise Institute (AEI), einer der zahlreichen neokonservativen Denkfabriken, die die Idee einer US-Weltherrschaft unterstützen. Außerdem sind sie für den Irak-Krieg aufgetreten und sind der Ansicht, dass der Versuch, eine diplomatische Lösung für die Nordkorea-Krise herbeizuführen, sinnlos ist.

China "greift an" . . .

Seit dem Start von PSI hat Bolton wiederholt, dass die Initiative unter internationalem Recht legal sei. Zahlreiche Experten aus verschiedenen Teilen der Welt bezweifeln das jedoch. Ihrer Ansicht nach könnte das Anhalten von Schiffen auf hoher See als "Piraterie" oder "Kriegshandlung" bestraft werden, solange es kein UN-Mandat dafür gibt.

Obwohl Bolton und Bush also nicht der Ansicht sind, dass PSI die Zustimmung der UN benötige, hat der US-Präsident den Sicherheitsrat vor etwa einem Monat genau darum gebeten. China hat sich jedoch bisher standhaft geweigert die Initiative zu unterstützen und kritisiert sie heftig. Mit Chinas Veto im Sicherheitsrat wird es für die USA schwierig werden, Unterstützung für PSI zu bekommen. Sowohl China als auch Russland sind Länder, die unter PSI besonders beobachtet werden, gemeinsam mit so "eindeutigen" Zielländern wie Iran oder Nordkorea.

. . . Russland zieht sich zurück

Anscheinend teilt Russland diese Befürchtungen und versucht, nicht ins Fadenkreuz der USA zu gelangen. Vor kurzem hat es die Weiterarbeit an Atomreaktoren im Iran verweigert, da Fragen über die Verschiffung von Reaktormaterial und anderen Komponenten von Russland in den Iran aufgekommen sind.

Auch ein Artikel in der "Washington Times" bestätigt, dass "China und Russland von der Initiative betroffen sein. Beide Länder wurden als Schlüsselfaktoren im Waffenhandel an Schurkenstaaten und als instabile Regionen eingestuft". Im Sommer 2002 ging die China-Sicherheitskommission der US-Regierung, die von den Neokonservativen beeinflusst wird, sogar noch einen Schritt weiter. Sie beschuldigte China, sowohl die Komponenten als auch die Technologie für Massenvernichtungswaffen an "Staaten, die den Terror finanzieren" zu verkaufen.

Am 2. Juni dieses Jahres hielt der Mehrheitsvorsitzende im Repräsentantenhaus und Hauptverbündeter Bushs im Kongress, Tom DeLay, ein republikanischer Abgeordneter aus Texas, eine Rede am American Enterprise Institute. In dieser setzte er Chinas Position mit der Nordkoreas gleich. "Regime wie diese bedrohen die Sicherheit der ganzen Welt", so DeLay. Damit stempelte er China als Feind des Kampfes gegen den Terror ab.

Nächstes Ziel: Iran

Etliche Male wurde Bushs Sicherheits-Kampagne PSI von den Medien bereits mit Kennedys Kuba-Blockade verglichen. Dieses Ereignis führte die Welt damals an den Rand eines Atomkrieges. Heute sieht sich der Iran - das dritte und letzte Land in Bushs "Achse des Bösen" - wegen seiner Atomprogramme unter Druck gesetzt. Die USA kündigten an, im Jänner Marine-Abwehrübungen vor der iranischen Küste durchführen zu wollen. Global-Security Direktor Pike gab dem Ganzen im "Wiener Zeitung"-Interview eine globalere Perspektive: "Genau deshalb haben sie (die US-Regierung, Anm.) die ,Achse des Bösen' entwickelt, um die kleineren Gefahren, die von diesen Ländern ausgehen, beiseite schaffen zu können und sich auf China zu konzentrieren."

Übersetzung: Barbara Ottawa