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Washington isoliert: Kein Partner für Sanktionen gegen Iran zu finden

Von Arian Faal

Analysen

Ein einziger Jungdiplomat war in der Sitzreihe der amerikanischen Delegation zu sehen, als Irans Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad vergangene Woche vor der UN-Vollversammlung in New York seine in Fragen gehüllte US-kritische Rede hielt - ein symbolträchtiges Bild. Denn genauso einsam steht Washington mit seiner Forderung nach raschen Sanktionen im Atomstreit mit Teheran da.


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Das Kalkül Ahmadi-Nejads, den "Joker" Zeit auszuspielen und den Westen zu entzweien, ist dank diplomatischem Geschick der bärtigen Diplomaten aus dem Gottesstaat erneut aufgegangen. Die kolportierte Bereitschaft, ein temporäres Moratorium der umstrittenen Urananreicherung zu erwägen, um den Westen bei Laune zu halten, erinnert dabei ein wenig an den Fahrstil auf Irans Autobahnen: Zwei Autos fahren auf einer schmalen Fahrbahn gespenstisch nah frontal aufeinander zu und erst im letzten Augenblick schneidet eines der beiden Fahrzeuge notgedrungen auf den Pannenstreifen ab. Was bleibt, ist der beidseitige Schreck und das "Gott sei Dank ist nichts Schlimmeres passiert."

So dürften derzeit auch die Europäer denken. Zwar musste EU-Chefdiplomat Javier Solana am Donnerstag eingestehen, dass es bisher keine Einigung mit dem Iran gibt, die Gespräche sollen aber nächste Woche weitergehen. Die Region rund um den Iran ist instabiler denn je; ein weiterer Eskalationsherd, der das Pulverfass Naher Osten endgültig zum Explodieren bringen könnte, ist nach Meinung von Solana und Frankreichs Präsident Jacques Chirac jedenfalls zu vermeiden.

Dementsprechend "wohlwollend" auch die Bemerkungen der letzten Wochen. Solana spricht von "echten Fortschritten", Chirac von "positiven Entwicklungen". So bleibt die Kritik des amerikanischen UN-Botschafters John Bolton, der aufgrund der Abwesenheit von Irans Chefunterhändler Ali Larijani in New York den Sanktionsprozess "wegen mangelnder Kooperation" beschleunigen wollte, offenbar ungehört. Denn Washington ist, nach dieser "neuen" Rückendeckung der EU für Teheran (Moskau und Peking zählen aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin zu den "traditionellen" Sanktionsgegnern), stark in der Defensive.

Chirac, der bei seiner Rede vor der UNO-Generalsversammlung vor einer Politik des Ultimatums warnte, sieht die Suspendierung der iranischen Urananreicherung offensichtlich nicht mehr als Vorbedingung für Verhandlungen an.

Für diesen Affront gab es bisher kein Wort der Kritik aus den USA. Im Gegenteil: So mild hat man US-Präsident George W. Bush selten über den Iran sprechen gehört. Die Drohgebärden hielten sich in Grenzen. Sogar eine "amerikanisch-iranische Freundschaft" sei für ihn längerfristig denkbar, erklärte Bush.

Der spöttische Kommentar eines iranischen Diplomaten dazu: "Die Welt hört dem Iran zu, auch die USA werden noch draufkommen, dass man besser unser Freund ist, als unser Feind." Seite 8