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Wo Wasser als Medizin verwendet wird, da bedient sich der Mensch uralter Erkenntnisse. Ob Schwefel- oder Salzwasser, Algen, Schlamm oder Unterwassermassage, Kneipp- oder Trinkkuren - der Mensch reagiert auf eine ganz besondere Weise auf das nasse Element.
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Als ich vor 15 Jahren mit Thalasso-Therapie angefangen habe, da hat man hier noch gar nicht gewusst, was das eigentlich bedeuten soll", lacht Thalasso-Pionierin Helga Kern. Inzwischen hat sich die Beauty-Spezialistin im ehemaligen k.u.k Kurort Baden bestens eingeführt mit ihrem Angebot rund ums Salz- und Süßwasser.
Thalasso-Therapie (griech. thalassa = Meer) gab es zunächst nur direkt am Meer, vor allem am französischen Atlantik, in den entsprechenden Kurorten, erzählt sie. Seit den 1960ern werden Algen jedoch kultiviert und industriell weiterverarbeitet, zu Pulvern oder Granulaten für Bäder, Schlammpackungen, kosmetische Produkte oder auch in Kapselform zur inneren Anwendung. "Ab da konnte man Thalassotherapie auch im Binnenland anbieten", erläutert Kern. "Algen sind das Meeresgemüse, sie binden in hoher Konzentration die Wirkstoffe des Meeres und können
diese bei entsprechender Anwendung an den Körper abgeben." Entgiftend und entschlackend sollen sie wirken, den Stoffwechsel ankurbeln und damit Fett und Cellulite bekämpfen, das Gewebe festigen, die Haut verschönern.
Entstaubte Therapie. In ihrem unterirdischen "Revital Center" gleich beim Badener Casino bietet Kern so ziemlich alles an, was unter dem Überbegriff Thalasso und Kneipp läuft. Zwar gibt es hier keine heilsame Meeresluft wie am Atlantik, jedoch unzählige Möglichkeiten, der Gesundheit und Schönheit mit allerlei Tricks und Kniffen auf die Beine zu helfen.
"Wobei gewisse Sachen mittlerweile aus der Mode gekommen sind", fügt sie hinzu. So habe sie anfangs die klassische Kneipp-Kur angeboten, aber: "Heute macht keiner mehr Wechselbäder in der Sitzbadewanne oder würde stundenlanges Sitzen im Auslaugebad als angenehmes Erlebnis empfinden."
Also entstaubte die findige Beauty-Unternehmerin den Therapieplan. In ihrem Institut erinnern nur noch die alten Wannen an die Vergangenheit. Typischerweise bietet Helga Kern ihren Kunden eine kombinierte Anwendung an: Da startet man mit einem Körperpeeling, das die Haut aufnahmefähiger machen soll. Es folgt ein "Bodywrapping", wobei man in Algenschlamm gepackt und mit Frischhaltefolie oder Baumwollwickel warm eingepackt wird. Das soll die Haut weich machen, die Cellulite verschwinden lassen und sich positiv auf die Gelenke und ihre Beweglichkeit auswirken. Dann folgen kalte Güsse à la Kneipp, um den Organismus wieder zu beleben, vielleicht noch ergänzt durch eine Massage oder eine Gesichtsbehandlung. Auch die Hydrotherapie in der Spezialwanne mit ihren 170 Massagedüsen in Verbindung mit Meersalz und Algenzusatz soll Wunder wirken.
Meer aus dem Kübel. "Wie bei einem eingesalzenen Hering", lacht Kern. "Eingesalzen lebt man halt länger", bringt sie die Heilwirkung auf den humorigen Punkt. Sicher gebe es noch einiges an "Gschistigschasti" im Bereich der Meerwasser-Anwendungen, aber letztlich müsse man auch aufs Wesentliche reduzieren. "Zeit ist heute eben auch ein Faktor. Viele Kunden nehmen sich eine Stunde und wollen da möglichst viel hinein packen." Ruhe sei aber ein wichtiges Element, betont sie. "Die Leute kommen mit ihrem Stress herein und erst nach einer Viertelstunde oder sogar mehr beruhigen sie sich und können dann auch entspannen. Außerdem ist Ruhe zwischen den Anwendungen angesagt, sonst wirkt es nicht gut."
Basis aller Beauty- und Wellness
anwendungen in Sachen Thalasso ist immer ein Algengranulat oder -pulver. In großen Kübeln steht es in Helga Kerns Institut herum, und wer mag, darf auch mal die Nase hinein stecken. Der leicht modrig-brackige Geruch nach Salz und Algen ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Aber das gehört eben zu den Nebenwirkungen. Für Bäder und Packungen mischt die Therapeutin das Granulat oder Pulver dann mit Wasser und ätherischen Ölen - wobei Letztere
bei empfindlicher Haut weggelassen werden, kommt es doch sonst leicht zu Reizungen. Und dann wird in der Wanne gekurt oder in Ganz- bzw. Teilkörperwickeln geschmort.
Typische Thalasso-Kunden gibt es bei Helga Kern nicht, Männer und Frauen, Junge und Alte geben sich hier die Klinke in die Hand. Ob Schönheit oder Gesundheit, Wohlbefinden oder körperliche Defizite, die Meer-Therapie setzt an vielen Ecken an und hilft dem, der es sich auch leisten kann. Denn mit etwa 50 Euro für eine Einzelbehandlung sollte man schon rechnen, bei kombinierten Anwendungen ist man ab etwa 120 Euro dabei.
Schwefel riecht gesund. Obwohl die meisten Menschen beim Thema Thermalkur an Kurhotels in idyllischer Landschaft denken, muss man als Wiener gar nicht so weit weg fahren. Schließlich liegt Oberlaa mit seinen Thermalwasser-Quellen noch innerhalb der Stadtgrenze und ist sogar öffentlich erreichbar. Der früher so typische Geruch nach Schwefel, der bereits an der Straßenbahn-Station markant war, ist mittlerweile verschwunden. "Das war eine Aufbereitungsanlage am Dach der alten Therme", erklärt Ursula Piatnik, verantwortlich für die Kommunikation des Thermenbetriebes. Mittlerweile riecht es nur noch in den entsprechenden Therapieräumen nach dem schwefeligen Wasser, das in Oberlaa mit 54 Grad Celsius aus der Erde tritt. Seit 2009 gibt es übrigens eine zweite Schwefelquelle im Kurort. Die erste Quelle wurde 1934 bei Ölprobebohrungen zufällig entdeckt und erst ab Ende der 1960er medizinisch genutzt.
Im Kurzentrum tut sich übrigens derzeit einiges: Die heuer neu eröffnete Therme Wien Med, wo die medizinisch-therapeutischen Kuren im ambulanten Betrieb durchgeführt werden, hat mit März ihre top gestylten Pforten geöffnet. Ende des Jahres soll der Wellness-Bereich der Therme neu eröffnet werden. In der Therme Wien Med können Kassen- und Privatpatienten ihre Leiden mit Schwefelbädern aus den hauseigenen Quellen lindern. Vor allem degenerative und rheumatische Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates werden hier auf 6000 Quadratmetern und vier Stockwerken kuriert. In einigen Therapieräumen gibt es als Bonus sogar noch einen beeindruckenden Fernblick auf die umliegende Landschaft.
Das Therapiespektrum reicht von der Hydrotherapie, der Anwendung kalten und warmen Wassers in Form von Waschungen, Duschen, Güssen, über die Balneotherapie, also Wannenbäder - Vollbad, Sitzbad oder Teilkörperbad - bis zur Heilgymnastik im Wasser.
Dabei macht sich das medizinische Team in Oberlaa jahrtausendealtes Wissen um die Heilkraft des Wassers, insbesondere des schwefelhaltigen Wassers, zu Nutze.
Nicht nur, dass der Körper im Wasser durch den Auftrieb leichter beweglich wird, lindern die Bäder im Schwefelwasser Schmerzen und wirken entzündungshemmend. Ergänzt durch Badezusätze wie Heublume, Baldrian, Kohlensäure oder Sole kann das Wirkungsfeld noch erweitert werden.
Mit Heilgymnastik unter Wasser wird der Bewegungsapparat besonders gelenkschonend stimuliert, was vor allem bei Haltungsschwächen, chronischen Gelenkserkrankungen und nach Operationen heilsam wirkt.
Hilfreich ist hierbei auch die Unterwasser-Strahlmassage, die mittels regulierbaren Düsendruckstrahles in der Wanne oder dem Therapiebecken Muskelverspannungen löst, wobei Auftrieb und Wärme das Ihre zur Heilung beitragen.
Schlamm und Wärme. Wärme ist überhaupt ein besonderer Faktor im Umfeld der Thermalwasser-Anwendungen, nutzt man sie doch nicht nur im Bereich der Bäder, sondern auch bei verschiedensten Packungen wie Munari, einer Mischung aus Senföl, Cayennepfeffer und Kaolinpulver, die auf die zu behandelnden Körperregionen aufgetragen wird. Durch den Wärmeimpuls der Munaripackung wird dieses Körperareal dann stärker durchblutet, was schmerzstillend wirkt.
Auch mit Paraffin wird in Oberlaa gearbeitet, vor allem in Sachen Fingerarthrose. Hier taucht man die Finger in warmes, flüssiges Paraffin, das daraufhin eine Wachsschicht um die Gelenke bildet, und wickelt sie dann zusätzlich ein, um die Wärme für mindestens 15 Minuten nutzen zu können. Die so besser durchbluteten Fingergelenke werden dann auch wieder beweglicher.
Um die Wirkung der Thermalwasser-Anwendungen zu ergänzen, werden in Oberlaa auch noch physikalische Therapie und ganzheitsmedizinische Leistungen angeboten, um die typischen "Volkskrankheiten" umfassend behandeln zu können. Etwa 15.000 Patienten sollen künftig hier jedes Jahr therapiert werden können, wobei sich die ambulante Kur durchaus auch als Ergänzung und Fortführung einer klassischen Kur versteht.
InfoAlgen
Es gibt etwa 10.000 Arten von Meeresalgen, einige hundert davon werden kultiviert bzw. industriell genutzt. Interessant für den medizinisch-kosmetischen Bereich machen die maritimen Gewächse vor allem ihre Inhaltsstoffe, z.B. Vitamine der A- und B-Gruppe sowie Vitamin C. Antioxidative Polyphenole bieten Schutz vor Umwelteinflüssen, Aminosäuren liefern Energie und verhindern Austrocknung, indem sie rückfettend wirken. Hinzu kommt noch der Algenzucker, der Feuchtigkeit spendend und regenerierend wirkt. Zum Einsatz kommen Algen als Inhaltsstoffe in Produkten zur Hautreinigung wie Peelings, Duschgels, Cremes und Packungen. Auch Wirkstoff-Ampullen, Lotionen, Badezusätze und Reinigungsmilch enthalten oft Algen-Wirkstoffe. Zur inneren Anwendung werden Algen in Tees und Tabletten, Trinkkuren und ähnlichen Produkten beigefügt und wirken so reinigend, entwässernd und entschlackend. Die im medizinischen-kosmetischen Bereich eingesetzten Algen werden meist in Form von Granulaten und Pulvern, also getrocknet, mit anderen Stoffen vermengt und individuell angemischt. Sie stammen zum Großteil aus Algenfarmen, wo sie in Aquakultur unter strikter Qualitätskontrolle gezüchtet werden.
Oberlaaer Schwefelwasser
Beim Oberlaaer Thermalwasser handelt es sich um eine Calcium-Natrium-Sulfat-Chlorid-Schwefel-Therme mit einem Anteil von 60 mg S pro Liter titrierbarem Schwefel. Sie ist damit eine der stärksten Heilquellen Europas. Das Wasser tritt in der ersten Quelle artesisch in einer Tiefe von 418 Metern mit einer Temperatur von 54 Grad Celsius zutage und wurde bereits 1934 entdeckt. Die zweite Quelle mit 64 mg S/L titrierbarem Schwefel wurde 2009 in einer Tiefe von 900 Metern ausgeforscht. Das schwefelhaltige Thermalwasser eignet sich besonders zur Behandlung von degenerativen Gelenkserkrankungen, Rheuma und zur Vor- und Nachbehandlung bei operativen Eingriffen an Gelenken und Wirbelsäule.