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Wasser aus der Wüste - dank Salz

Von WZ-Korrespondentin Elke Bunge

Wissen

Mit dem Nass soll die Wüstenstadt Beersheba in Israel versorgt werden. | Der Fluss Jordan führt zu wenig Wasser. | Beersheba/Stuttgart. Die heiße Luft flimmert über dem Asphalt der Straße, über dem Wüstensand. Kein Strauch, kein Baum säumt das schnurgerade schwarze Band. Dann taucht sie plötzlich auf, die Stadt - erst die kleinen Vorstadthäuschen, dann die modernen Wohnviertel.


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Mitten in der Negev gelegen, gilt Beersheba als viertgrößte Metropole Israel, nach Jerusalem, Tel Aviv und Haifa. Die Stadt wurde an dem Ort gegründet, wo laut Genesis Abraham einen Pakt mit Abimelech schloss und einen längst versiegten Brunnen grub, um sein hungerndes und dürstendes Volk mit Wasser zu versorgen: Beer Sheva - Brunnen des Schwurs.

Auch heute ist die Stadt durstig. Industrie (Chemie und Metallverarbeitung) und Bevölkerung benötigen Wasser, sehr viel Wasser. Und damit der Traum des Staatsgründers und ersten Präsidenten Israel, David Ben Gurion, von einer blühenden Negev, von grünen Kibbuzim und Moshavim (landwirtschaftlichen Genossenschaften) Wirklichkeit werden kann, ist viel Wasser notwendig.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde das benötigte Nass durch ein verzweigtes Kanalsystem aus dem Jordan abgeleitet - häufig führte diese Praxis zu Konflikten mit dem Nachbarstaat. Auch klagten arabische Beduinen, dass ihnen die Stadt das Wasser abgrabe. Doch die Quellen unter der Negev sind versiegt. Um den immensen Bedarf zu stillen, müssen andere Wege gefunden werden.

Wissenschafter des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) haben daher gemeinsam mit ihren Kollegen von der Firma Logos Innovationen ein Verfahren entwickelt, das wortwörtlich in der Luft liegt: Sie gewinnen das Wasser aus der Luftfeuchtigkeit. Denn die Luft in den meisten Wüsten ist keinesfalls trocken. So liegt die relative Luftfeuchtigkeit in der Negev-Wüste im Jahresmittel bei 64 Prozent.

Salzlösung entzieht Wasser

Dieses Wasser mit einem umweltfreundlichen Verfahren zu gewinnen, war das Ziel der Wissenschafter: "Der Prozess, den wir entwickelt haben, basiert ausschließlich auf regenerativen Energiequellen wie einfachen thermischen Sonnenkollektoren und Photovoltaikzellen, was diese Methode vollständig energieautark macht. Sie funktioniert also auch in Gegenden, in denen es keine elektrische Infrastruktur gibt", sagt Siegfried Egner, Abteilungsleiter am IGB.

Aber wie entzieht man der Luft das wertvolle Nass? Die Antwort: Salz bindet die Feuchtigkeit aus der Luft. Um möglichst viel Feuchtigkeit aus der Luft zu gewinnen, wird eine hochkonzentrierte Salzlösung benutzt, die an einer turmförmigen Anlage abwärts rinnt. So hat sie eine große Oberfläche und kann noch mehr Wasser aus der Luft binden. Damit die Salzlösung an der Anlage überall gleichmäßig herunterläuft und die gesamte Säule benetzt, müssen Materialien gefunden werden, die eine optimale Haftung an dieser Oberfläche gewährleisten. Rinnt die Salzlösung nur in kleinen Bächlein herab, ist ihre Oberfläche zu klein.

In einem zweiten Schritt muss das gewonnene Wasser vom Salz getrennt werden. Dazu wird die Salzlösung mit dem gewonnenen Wasser in einen Behälter gepumpt, der in einigen Metern Höhe steht und in dem Vakuum herrscht. Energie aus Sonnenkollektoren erhitzt die Lösung bis zum Kochen. Durch das Vakuum sinkt der Siedepunkt, die Lösung kocht schon bei einer niedrigeren Temperatur als 100 Grad Celsius. Das reine Wasser kann abdestilliert werden - zurück bleibt die konzentrierte Salzlösung. Diese kann dann erneut an der Turmoberfläche herunterfließen, und der Kreislauf beginnt von vorn.

Einzelhaushalte und Hotels

"Das Konzept eignet sich für verschiedene Größenordnungen: Es sind sowohl Anlagen für einzelne Haushalte denkbar als auch solche, die ganze Hotels mit Wasser versorgen", sagt Egner. Für die beiden Einzelkomponenten, die Aufnahme der Luftfeuchtigkeit und die Vakuumverdampfung, gibt es Prototypen. Auch das Zusammenspiel beider Komponenten ist bereits getestet. Eine Pilotanlage soll in den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten gebaut werden.

Nach der industriellen Fertigung könnte dann nicht nur der Traum Ben Gurions wahr werden. Auch weitere Wüstenstädte weltweit könnten mit neuen Wasseranlagen versorgt werden - eines der dringendsten Menschheitsprobleme käme dann einer Lösung näher.