)
Drei Jahrzehnte lang wurde um die Identität des legendären Informanten im Watergate-Skandal gerätselt. "Deep Throat" genannt, legte er den Reportern Bob Woodward und Carl Bernstein eine Spur ins Weiße Haus, was schließlich zum Sturz von Präsident Richard Nixon führte. Nun kam Mark Felt aus der Deckung. 91 Jahre alt und nach einem Schlaganfall schwer krank, wollte er sein letztes Geheimnis nicht mit ins Grab nehmen. Er war damals Vizedirektor des FBI.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Ich bin der Mann, der Deep Throat genannt wurde." Mit diesen Worten zitierte "Vanity Fair " Mark Felt am Dienstag. Woodward und Bernstein bestätigten die Aussage Stunden später in einer gemeinsamen Erklärung.
Warum lieferte Felt den Journalisten geheime Informationen, die schließlich zum Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon führten? Vermutlich nicht nur, um die USA "von einer schrecklichen Ungerechtigkeit zu retten", wie seine Familie am Dienstag erklärte. Der ambitionierte Beamte war zur Zeit des Skandals tief in seiner Ehre gekränkt, weil er von Richard Nixon bei der Besetzung des FBI-Chefpostens übergangen worden war.
In der Einschätzung Felts hätte der Präsident keinen größeren Fehler machen können. Kurz vor dem Einbruch in die Wahlkampfzentrale der Demokraten war FBI-Direktor Edgar Hoover gestorben. Felt machte sich große Hoffnung auf die Nachfolge, doch Nixon ernannte den Verwaltungsexperten Patrick Gray. Dabei war Felts Ziel im Weißen Haus wohl bekannt, wie aus Tonbandaufnahmen hervorgeht, die sechs Tage nach dem Einbruch am 17. Juni 1972 entstanden: Nixon und seine Mitverschwörer besprachen, wie sie eine FBI-Ermittlung des Einbruchs verhindern könnten. Dabei setzten sie ausgerechnet auf Felt: "Er will kooperieren, weil er ehrgeizig ist", sagte Stabschef H.R. Haldeman. Nixon antwortete einsilbig: "Yeah".
Die Kränkung Felts ist nur einer von vielen Zufällen, die zur Aufdeckung des Skandals führten. Dieser begann damit, dass Ex-FBI-Mann Gordon Liddy 1972 von Nixons Wahlkampfteam 250.000 Dollar für die Ausspionierung der Demokratischen Partei bekam. Er stellte ein Team zusammen, das die Wahlkampfzentrale der Demokraten verwanzen sollte. Einer der fünf Einbrecher, die auf frischer Tat ertappt wurden, war der 20 Jahre alte CIA-Techniker James McCord. Als die Einbrecher vor Gericht über ihre Identität befragt wurden, flüsterte McCord kaum hörbar "CIA". Doch es war laut genug für die Ohren von "Washington Post"-Reporter Woodward.
Spätestens da leckten Woodward und sein Kollege Bernstein Blut. Von "Deep Throat" gefüttert und durch hartnäckige Recherchen füllten sie hunderte Spalten ihrer Zeitung. Ins Schussfeld gerieten erst Nixons Mitarbeiter. Der Präsident opferte schließlich seinen Berater John Dean, der dem Senat zum Dank Einblicke in die schmutzigen Machenschaften des Weißen Hauses lieferte, etwa, dass die Einbrecher mit Geld zum Schweigen gebracht werden sollten.
Der Präsident beteuerte, er habe nichts von Vertuschungen oder Ausspionierungen gewusst und schon gar nicht angeordnet. "Das war und ist die schlichte Wahrheit", gab er zu Protokoll. Doch zu seinem Pech informierte sein Sekretär Alexander Butterfield den Senat über ein geheimes Aufnahmesystem im Weißen Haus, dass jedes Wort Nixons aufgezeichnet hatte, die Verabredung der Verschwörung inklusive. Die Bänder waren der letzte Nagel im politischen Sarg des Präsidenten.
Aus dem Lager der damaligen Verschwörer erhält Mark Felt alias "Deep Throat" jetzt verständlicher Weise nicht nur Lob. Für Gordon Liddy, den Finanzier des Watergate-Einbruchs, ist Felt kein Held. "Wenn er seine Pflicht hätte erfüllen wollen, wäre er mit seinen Informationen zur Grand Jury gegangen." Laut seinem Sohn Mark Jr. beschlichen "Deep Throat" in letzter Zeit selbst Zweifel, ob der Geheimnisverrat für einen FBI-Mann angemessen gewesen sei. Die Behörde selbst wollte sich am Mittwoch nicht zum Outing ihres früheren Vizedirektors äußern.
Die Watergate-Affäre
Der von den Journalisten Robert Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post aufgedeckte Polit-Skandal stürzte die USA in eine Verfassungskrise. Er führte 1974 nach einer Reihe von Enthüllungen zum Rücktritt des amtierenden Präsidenten Richard Nixon.
Benannt ist die Affäre nach dem Gebäudekomplex in dem sich seinerzeit das Wahlkampfbüro der Demokratischen Partei befand. Dort wurden Einbrecher dabei ertappt, wie sie die Telefone der Demokraten verwanzen wollten. Recherchen ergaben, dass die Republikaner, zumal Nixon, die Fäden bei der Aktion zogen. Im Untersuchungsausschuss des US-Senats kam ans Tageslicht, dass der Präsident Gespräche im Weißen Haus heimlich aufzeichnen ließ.
Verfilmt wurde die Affäre mit Robert Redford unter dem Titel: "Die Unbestechlichen". Der Film gilt als einer der wenigen, die den Beruf des Journalisten realitätsnah darstellen.