IPCC warnt vor noch höherem Anstieg der Meeresspiegel und bis zu 4,8 Grad plus.
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"Das wichtigste Gremium für die Forschung zum Klimawandel hat einen Bericht vorgestellt, der sich mit zwei Worten zusammenfassen lässt: schlechte Nachrichten", betont Sven Marmelig, Koordinator für Klimapolitik der internaitonalen Hilfsorganisation Care. In seinem fünften Weltklimabericht hat der Weltklimarat IPCC der UNO seine Warnungen vor einer gefährlichen Erderwärmung erneut verschärft. Am Freitag stellte der IPCC in Stockholm die Zusammenfassung des tausendseitigen Mammutwerks vor, die die politisch relevanten Ergebnisse der Klimaforschung darstellen soll.
Den wichtigsten Erkenntnissen zufolge droht ein um ein Drittel höherer Anstieg der Meeresspiegel als angenommen. Je nach Szenario wären das bis 2100 plus 26 bis 82 Zentimeter. Außerdem sei zu befürchten, dass die Weltgemeinschaft bei der Begrenzung des Temperaturanstiegs ihr Zwei-Grad-Ziel verfehlt. Bei einem Temperaturanstieg um mehr als zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ist mit kaum beherrschbare Umweltfolgen zu rechnen.
Mehr als 800 Experten aus 195 Staaten waren an dem Bericht beteiligt. Ihren Analysen zufolge hat sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Luft weltweit im Durchschnitt um 0,8 Grad erwärmt und der Meeresspiegel ist bereits um 20 Zentimeter gestiegen.
Auf der Nordhalbkugel waren die vergangenen 30 Jahre die wärmsten seit dem Hochmittelalter. Grönland hat laut dem Bericht von 2002 bis 2011 sechs Mal mehr Eismasse verloren als in den zehn Jahren davor. Auch die Antarktis verliert mehr Eis, als Schnee fällt. Und im arktischen Ozean schrumpft der Schollenteppich und ist so dünn wie seit dem römischen Klimaoptimum vor 2000 Jahren nicht mehr. Wie zum Hohn berichtete am Freitag die dänische Reederei Nordic Bulk Carriers, dass erstmals mit einem großen Frachtschiff die Durchfahrt durch die bisher vereiste Nordwest-Passage der Arktis gelungen sei.
Forschung an Kernfragen
Stutzig macht die IPCC-Forscher eine Pause im Klimawandel. Demnach sei die Durchschnittstemperatur in Bodennähe in den vergangenen 15 Jahren konstant geblieben. Warum, können sie noch nicht schlüssig erklären. Auch andere Fragen lässt das 1000-seitige Sachstandsbericht offen. Unklar ist etwa, warum das Meereis in der Arktis schrumpft, während es in der Antarktis wächst. Gletscher-Langzeitdaten fehlen, auch die Rolle der Wolken ist ein großes Klimarätsel. Nicht ganz zu Unrecht wird immer wieder auf die Schwierigkeiten der Modelle der Klimaforscher aufmerksam gemacht. Klar ist aber: Klimawandel findet statt. Und die Ursache des Klimawandels ist hauptsächlich der Mensch, der Kohlendioxid (CO2) in die Luft bläst. Dessen ist sich der Klimarat nach einer Abstimmung unter Fachleuten "zu 95 Prozent sicher".
Die Stärke des Effekts ist eine Kernfrage der Klimaforschung. Der IPCC stellte zur Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts vier Szenarien vor. Das optimistischste Szenario umfasst eine Spanne zwischen plus 0,3 und plus 1,7 Grad Celsius, im mathematischen Mittel also 1,0 Grad. Das Worst-Case-Szenario kommt dagegen auf einen Temperaturanstieg zwischen 2,6 und 4,8 Grad, im Mittel also 3,7 Grad. Verheerende Stürme, Überflutungen und Dürren würden eintreten, die sozialen Folgen wären fürchterlich.
"Die ärmsten Menschen erleben schon jetzt extremes, unberechenbares Wetter und die sich verändernden Lebensräume", betont Klimaexperte Harmeling. Menschen verlieren ihr Leben, Häuser werden zerstört, Vieh und Nutzpflanzen verenden. Auch in den reichen Ländern lösen sintflutartige Regenfälle und schwere Stürme schon jetzt Fluten und Zerstörungen aus. Nur können wir uns - noch - leichter davon erholen als die Dritte Welt. "Die Folgen des Klimawandels werden die Umwelt in einer Weise ändern, wie seit hunderten oder tausenden Jahren nicht mehr geschehen", betont der IPCC. Abzuwarten bleibt, ob die Politik beim nächsten Klimagipfel im November in Warschau dem Erkenntnisgewinn endlich konkrete Handlungen zur Seite stellt.