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Weder Gott noch Weihrauch

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Jüngst ließen einige EU-Abgeordnete aufhorchen: Bei einer Segnung im Europäischen Parlament dürfen kein Weihrauch und auch kein Weihwasser verwendet werden.


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Mit einem wahrlich seligen Wunsch ließen kürzlich die Abgeordneten der größten Europa-Parteien aufhorchen. So haben EU-Parlamentarier der Sozialdemokratischen Fraktion, der Fraktion der Europäischen Volkspartei und Europäischen Demokraten sowie der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) um Segnung ihrer Abgeordnetenbüros im Europäischen Parlament (EP) vor Beginn des Europawahlkampfes ersucht.

Die Bischöfe der COMECE haben diese Einladung angenommen und werden im Anschluss an das Treffen der EU-Einrichtungen mit den Vertretern der Kirchen und Religionsgemeinschaften am 11. Mai 2009 die Büros segnen.

Dieser kirchliche Akt wurde von der Parlamentsverwaltung nur unter strengen Auflagen genehmigt. Zwar dürfen die Bischöfe in ihren liturgischen Gewändern durch das Parlamentsgebäude ziehen, sie dürfen dabei aber vom obligaten Weihrauch keinen Gebrauch machen. Auch das Sprenkeln der Büros mit Weihwasser wurde "aufgrund der möglichen Beeinträchtigung der Innenarchitektur des Parlaments" untersagt.

"Insbesondere nach dem Deckensturz im Straßburger Plenarsaal des EP wolle man kein Risiko mehr eingehen", verlautete es aus der Parlamentsverwaltung.

Gott in die Präambel?

Diese geradezu grotesken Auflagen für die Vornahme einer kirchlichen Zeremonie zeugen von einer laizistischen Grundhaltung der Parlamentsverwaltung, die die allgemeine Haltung der EU in religiösen Fragen widerspiegelt.

Religiöse Bezüge finden sich in der EU nur sehr spärlich. In einer Erklärung zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften in der Schlussakte zum Amsterdamer Vertrag (1997) wird die Achtung der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften durch die EU postuliert. In der EU-Grundrechtecharta findet sich in Artikel 10 die Religionsfreiheit verankert.

Während der Regierungskonferenz zur Ausarbeitung des Verfassungs-Vertrages für die EU wurde der Versuch unternommen, in die Präambel desselben einen Gottesbezug, zumindest aber einen Bezug auf die jüdisch-christliche Werteordnung einzuführen. Dieser Versuch scheiterte jedoch, und es kam in der Präambel lediglich zur einem Verweis auf das "religiöse Erbe Europas".

Sollte der Vertrag von Lissabon in Kraft treten, dann würde der durch ihn geänderte Vertrag über die Arbeitsweise der Union in seinem Artikel 17 eine Verankerung wesentlicher Inhalte der vorstehend erwähnten Erklärung zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften in das Primärrecht, also in die zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträge, vornehmen. Damit würde sich die EU verpflichten, den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den EU-Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, zu achten und diesen nicht zu beeinträchtigen.

In gleicher Weise würde die Union den Status, den weltanschauliche Gemeinschaften nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genießen, achten.

Zuletzt würde sie sich dazu verpflichten, mit diesen Kirchen und Gemeinschaften in Anerkennung derer Identität und deren besonderen Beitrags einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog zu pflegen.

Ganz im Sinne dieses Dialogs der Union mit den Kirchen findet die vorerwähnte Begegnung der Institutionen in der EU mit den Religionsgemeinschaften am 11.Mai statt. Achtet man aber die Identität der Kirchen, dann sollte man auch deren liturgische Gebräuche respektieren und nicht mit fadenscheinigen Argumenten deren Ausübung untersagen.