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Weder Krieg noch Frieden im Ostkongo

Von Vladislav Marjanovic, Radio Afrika

Politik

Die Spannungen zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo haben sich zuletzt wieder erhöht. Auch Jahre nach dem Ende eines der blutigsten Kriege in Afrika kommen die kongolesischen Ostprovinzen nicht zur Ruhe. Obwohl ein Friedensvertrag gilt, geht der Krieg um die Rohstoffe weiter.


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Als die UNO-Friedenstruppen Anfang Dezember die Anwesenheit von Einheiten aus dem benachbarten Ruanda meldeten, wurde Kongos Armee in Alarmzustand versetzt. Etwa 10.000 kongolesische Soldaten sollten in den Osten des Landes geschickt werden und ein hoher Sicherheitsbeamter kündigte sogar einen Marsch nach Kigali an, der Hauptstadt Ruandas. Die Internationale Gemeinschaft rief zur Mäßigung. Ruanda wurde sogar von seinem engsten Verbündeten, den USA gedrängt, die bereits geschlossenen Friedensabkommen zu respektieren.

Maßnahmen gegen Kagame . . .

Allem Anschein nach, stand es diesmal schlecht für den ruandischen Präsidenten Paul Kagame, der unter dem Vorwand, die Bedrohung der Sicherheit seines Landes durch Hutu-Rebellen aus Ostkongo zu bekämpfen, auf eigene Faust handeln wollte. Gerüchte kreisten um die internationale Isolierung Ruandas und eine eventuelle Wende in den Machtverhältnissen im Großseengebiet. Die Berichte über die Entwicklung der Krise in Ostkongo wurde in den internationalen Medien ziemlich dürftig verfolgt. Auch der Sicherheitsrat der UNO brauchte zwei Tage bis er am 7. Dezember 2004 eine Deklaration über die Lage im Großseengebiet angenommen und veröffentlicht wurde. In dieser Deklaration wurde die ruandische Regierung aufgefordert, unverzüglich alle Truppen vom Territorium der Demokratischen Republik Kongo zurückzuziehen. Die Integrität Kongos wurde bestätigt, auch die Verschmelzung aller kongolesischen bewaffneten Kräfte in eine nationale Armee wurde befürwortet. Die Anwesenheit der Hutu-Rebellen im Ostkongo wurde als unannehmbar bezeichnet. Ein weiteres Mal wurde ihre sofortige Entwaffnung und Auflösung verlangt, so dass sie umgesiedelt oder nach Ruanda zurückgeschoben werden können.

. . . beschränkten sich auf Rüge

Mit dieser Deklaration des UNO-Sicherheitsrates hat die Demokratische Republik Kongo einen diplomatischen Sieg errungen. Einen realen aber nicht, denn die Erklärung bezeichnet weder Ruanda als Aggressor noch droht sie mit Sanktionen für einen eventuellen Verstoß der Friedensabkommen. Der Sicherheitsrat hat nur seine Absicht geäußert, in Hinkunft Maßnahmen gegen Einzelpersonen zu unternehmen, die den Friedens- und Übergangsprozess stören würden.

Offensichtlich waren Kräfte im Spiel, die vermeiden wollten, dass die Krise in Ostkongo einen stärkeren internationalen Widerhall hervorruft. Einmal mehr schien die Wirtschaft die Hauptrolle in einem regionalen bzw. internationalen Konflikt zu spielen.

Gold, Zinn und - Coltan

Ostkongo, das nicht nur an Ruanda sondern auch an Burundi, Uganda und Sudan grenzt galt früher als Kornkammer der Region. Im 20. Jahrhundert wurden dann die Bodenschätze entdeckt: es ging dabei nicht nur um Gold und Zinn sondern vor allem um Columbit und Tantalit, zwei Metalle die für die Entwicklung von mobilen Funkgeräten und Handys oder für den Bau von Raketen und Satelliten benötigt werden. Diese zwei Metalle, die aus dem Erz Coltan gewonnen werden, sind vor allem in der Provinz Nord-Kivu vorhanden. Allein die USA haben sich 75 Prozent der Coltan-Exporte gesichert.

Gerade als der Krieg in Kongo 1996 ausbrach um Diktator Mobutu zu stürzen, begann der Sturm auf das begehrte Erz. Mit dem daraus lukrierten Geld finanzierte sich der Anführer der Rebellion, Laurent Désiré Kabila. Bald aber kamen andere Interessenten ins Spiel, seine Verbündeten Ruanda und Uganda. Zwischen den ehemaligen Verbündeten kam es daher zum Streit und die Folge war der Ausbruch des zweiten Kriegs in Kongo, der 1998 begann. Um die drei Millionen Kongolesen starben während des Kriegs. Der Coltan-Preis schnellte in die Höhe. Auf dem Weltmarkt wurden bis zu 400 US-Dollar für einen Pfund des Erzes gezahlt. Die Staatsgesellschaft SOMINKI, die das Monopol auf den Abbau und den Verkauf von Coltan hatte, wurde aufgelöst und der kanadisch-amerikanischen Firma BANRO verkauft. Als die von Ruanda unterstützten kongolesische RCD-Rebellen im Ostkongo die Macht übernahmen, konnten sich diese durch ihre Gesellschaft SOMIGL, welche das Exportmonopol für Coltan hatte, fette Dividenden von rund einer Mio. Dollar im Monat sichern.

Die Jagd nach dem Coltan wurde in der Folge auch für die lokale Bevölkerung die Haupteinnahmequelle. Landwirtschaft, Schulen und Universitäten wurden aufgegeben, um unter unmenschlichen Bedingungen für ein paar US-Dollar pro Stunde in den Bergen und Wäldern nach dem leicht radioaktiven Erz zu schürfen. Die negativen Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Der Preis für Nahrung stieg, die Umwelt wurde zerstört, Familien zerbrachen, AIDS wütete, Schulen und andere Lehranstalten wurden geschlossen. Die Schürfer wurden zudem Soldaten verschiedener Herkunft oder Rebellen angegriffen, welche ihnen das gewonnene Erz wieder abjagten. Alle zogen ihren Profit.

Da deas Coltan durch benachbarte Staaten transportiert werden musste, um in Europa und Amerika verkauft zu werden, mischten auch die dortigen Regierungen mit. Manche hohe Persönlichkeiten, wie der Schwager des ruandischen Präsidenten oder der Halbbruder des ugandischen Staatschefs waren in diese Geschäfte verwickelt. Auch die berüchtigten Mayi-Mayi Rebellen, die an der Seite der Regierung in Kinshasa kämpften oder die Hutu-Rebellen, die Interahamwe, nutzten diese lukrative Geschäft, um ihre Bewegungen finanziell zu stärken. Und Ruanda, wie spätere UNO-Berichten feststellten, exportierte mehr Coltan, als es selbst produzierte. Die Ausplünderung Ostkongos war voll im Gang.

Eine interessante Rolle spielte in diesem Geschäft eine Frau deren Name im Gebiet der Großen Seen einen großen Klang hat. Es ist Aziza Gulamali Kulsum. Sie hat mit Zigarettenschmuggel angefangen und sich später als Financier der burundischen Rebellenbewegung FDD, der RDC-Rebellion im Kongo, von Ruanda und sogar der Hutu Milizen profiliert.

Sowohl der Kongo, als auch Ruanda, Hutu-Milizen und andere Bewegungen scheinen von der Beibehaltung des derzeitigen Zustandes zwischen Krieg und Frieden mehr zu profitieren als von einem Frieden im wahren Sinn des Wortes. Es ist schwierig zu sagen, welche Arrangements hinter den Kulissen getroffen werden. Am 2. Dezember veröffentlichte die katholische Agentur MISNA einen Bericht mit dem Titel: "Ruandische Soldaten in Kivu: und wenn es eine Vereinbarung war?" Die kongolesische Regierungszeitung "L'Avenir Quotidien" dementierte - aber erst am 7. Dezember, als sich das höchste UNO-Gremium meldete. Ruanda hingegen reagierte überhaupt nicht.

Das Erdöl wartet noch

Die internationale Gemeinschaft scheint das nicht wirklich zu interessieren, solange ohne gröbere Investitionen - etwa in die Infrastruktur im Kongo - das Coltan auf den Weltmarkt strömt. Inzwischen wird das Land verwüstet, unter der zivilen Bevölkerung gibt es praktisch täglich Opfer. Die örtlichen Regierungen dreschen patriotische Phrasen, die Internationale Gemeinschaft predigt Moral. Die Geschäftsleute machen business as usual. Und der Ostkongo hat mit einem weiteren Reichtum aufzuwarten, der bis jetzt noch kaum ausgebeutet wird: Erdöl.