Die Notenbanken sind nicht dazu da, es allen recht zu machen.
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Die EZB hat ihren Leitzins um spektakuläre 0,75 Prozentpunkte erhöht. Zuvor hatte Fed-Chef Jerome Powell in Jackson Hole erklärt, man müsse sich eher auf eine längere Zinsanhebungsphase einstellen. Denn die Inflation geht im Moment nicht zurück, selbst in den von der Energiekrise nicht so sehr betroffenen USA. Erwartet wird eine weitere Erhöhung des US-Leitzinses auf 4 Prozent bis zum Jahresende. Vielleicht ist es besser, kurzfristig einen gewissen Schmerz zu erzeugen, als die Inflation aus dem Ruder laufen zu lassen, was nicht nur die Finanzmärkte, sondern auch die Realwirtschaft stark schwächen würde. Dann würde den Unternehmen die Kalkulationsbasis fehlen, was zu großen Verwerfungen im Wirtschaftsleben und auch unangenehmen Effekten im Bereich der Verteilung führen könnte. Bei erwarteten Preissteigerungen könnten etwa Güter bewusst zurückgehalten werden. Verzerrungen wie diese will niemand, und daher ist es wohl besser, für gewisse Zeit in den sauren Apfel zu beißen.
Die Fed versucht derzeit, durch schnellere, stärkere Anhebungen rascher einen Effekt zu erzielen, als in weiterer Folge ein Niveau in Kauf zu nehmen, das für die Wirtschaft nicht verträglich ist. In Europa ist die Situation komplizierter, denn die Region ist viel heterogener. Die Inflation reicht von 6 Prozent in Frankreich bis zu 25 Prozent in Estland. Europa ist auch mit der Gasabhängigkeit ganz anders betroffen, das Wirtschaftswachstum ist generell nicht so stark, dazu kommen Schuldensorgenkinder wie Italien. In dieser Gemengelage kann die EZB nicht nur auf die Wirtschaftsdaten schauen. Gerade in der aktuellen Situation hat sie aber in dieser schwierigen Frage Haltung bewiesen.
Das primäre Mandat der Notenbanken ist nicht die Wirtschaftspolitik - hier sind Regierungen zuständig -, sondern Preisstabilität. Die EZB hat kein Interesse, eine Rezession heraufzubeschwören. Aber auch wenn diese der Preis wäre - zumindest kurzfristig droht sie Ende des Jahres -, müsste sie sich auf alle Fälle auf ihr ursprüngliches Mandat rückbesinnen. Ihr Hauptauftrag ist derzeit ganz klar die Sicherung der Geldwertstabilität. Notenbanken haben zwar keine direkte Handhabe auf Preise. Sie können nur über Zinsen die Angebots- und Nachfrageseite beeinflussen. Indem sie die generellen Finanzbedingungen am Markt verschärfen und die Zinsen anheben, wird in Folgewirkung weniger Nachfrage erzeugt, und es kommt wieder zu einem besseren Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage. Damit sollten die Preissteigerungen zumindest nicht weiter voranschreiten und sich dann mittelfristig wieder zurückbilden.
Dieses prinzipielle Muster der Notenbankpolitik ist vielleicht ein wenig in Vergessenheit geraten, da in den vergangenen Jahrzehnten eher von Deflationsängsten gesprochen wurde. In dieser Phase arbeiteten die Notenbanken mit unkonventionellen Maßnahmen wie Quantitative Easing oder Kurvenkontrolle wie in Japan. Jetzt kommt eher wieder das traditionelle Instrumentarium zum Einsatz - vielleicht für einige ein wenig überraschend. Auch wenn die jüngste Hochinflationsphase in den 1970ern war, handelt es sich prinzipiell um die einfachere Übung, da die Mechanismen seit Jahrzehnten erprobt sind und die Notenbanken eine lange Erfahrung damit haben.