Zum Haareschneiden nach Ungarn, zum Autoreparieren nach Tschechien: Schon jetzt werden die Grenzgebiete von manchen für Ausflüge genutzt, um Kosten zu sparen. Wie sehr wird die EU-Erweiterung heimischen Branchen wie Frisören und Kfz-Technikern zu schaffen machen? "Es wird keine Gewinner- und keine Verliererbranchen geben", betonte gestern Walter Bornett, Leiter der KMU-Forschung Austria, in einer Pressekonferenz der Bundessparte Gewerbe und Handwerk.
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"Es kommt auch nicht auf Standort und Betriebsgröße an. Zählen werden ein hohes Maß an Termintreue, Know-How und Qualität", zählte Bornett einige mögliche Wettbewerbsvorteile auf. Eine Verliergruppe nannte er dann doch: "Betriebe, die derzeit nur ein Argument haben: den Preis."
Einig zeigte sich Bornett mit Georg Toifl, Obmann der Bundessparte Gewerbe und Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), der betonte, dass die EU-Erweiterung "keine Einbahnstraße" sei. In Folge der EU-Erweiterung erwarten sich Toifl und Bornett einen Rückgang der heimischen Schwarzarbeit, da sich österreichische Kunden ihrer Ansicht nach an die "noch billigeren und außerdem legalen neuen" Handwerker und Gewerbetreibenden wenden würden. "Da ist man schon naiv", lautet der Kommentar von Gudrun Biffl, Arbeitsmarkt- und EU-Erweiterungsexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Es gebe bis dato keine Umfragen zu Schwarzarbeit in Österreich. Ihrer Ansicht nach sollte dieses Thema aber nicht nur "aus dem Bauch heraus" diskutiert werden.
Der laut Toifl herrschende Fachkräftemangel könnte durch "branchendifferenzierte Maßnahmen" bei den Übergangsfristen ausgeglichen werden, soll heißen, dass die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für sieben Jahre bei Bedarf verringert werden soll. Biffl hingegen meint, ausländische Hilfsarbeiter und Fachkräfte unter dem Terminus "Facharbeiter" in einen Topf zu werfen, sei gefährlich. "Es gibt einen massiven Anstieg der Facharbeiterarbeitslosigkeit. Und Facharbeiter ist nicht Facharbeiter. Nur in einem schmalen Bereich werden Fachkräfte gesucht."
Rote Null beim Umsatz
Was die EU-Erweiterung tatsächlich bringt, wird man ab 1. Mai wissen. Was das vergangene Jahr den heimischen Gewerbe- und Handwerksbetrieben brachte, ist - Zitat Bornett - "nicht berauschend": Die rund 63.000 Gewerbe- und Handwerksunternehmen setzten nach Berechnungen der KMU-Forschung mit 44,8 Mrd. Euro nominell um 0,6% mehr um als im Jahr zuvor, das entspricht preisbereinigt einem Minus von 0,1%. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg 2003 dagegen real um 0,7%. Im Durchschnitt arbeiteten 42% der Betriebe mit Verlust und 39% ohne Eigenkapital. 54% der Kleinbetriebe mit weniger als 500.000 Euro Jahresumsatz erwirtschafteten Verluste, 55% waren überschuldet. Für 2004 sind die Gewerbe- und Handwerksbetriebe hingegen sehr zuversichtlich. 76% wollen den Beschäftigtenstand in den kommenden Monaten halten. Im zweiten Quartal beabsichtigen 18% der Betriebe Personal einzustellen, 7% werden den Mitarbeitertand reduzieren.