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Der richtige Weg des amerikanischen Einsatzes im Irak ist ein Weg, der die irakische Souveränität anerkennt, aber auch sorgfältig die Interessen der USA schützt.
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"Fürchten Sie sich nicht vor der Unabhängigkeit des Irak", pflegte General John Abizaid in seiner Zeit als Kommandeur des US-Regionalkommandos für den Nahen Osten, Ostafrika und Zentralasien zu sagen. Und das ist ein guter Rat, gerade jetzt, da die Iraker und die Amerikaner ein neues Abkommen über den zukünftigen Status der US-Streitkräfte im Irak vorbereiten, für die Zeit nach der Regierung von George W. Bush.
Dabei sollten die USA, so wie die Iraker, Ausschau nach einer anderen Art von Beziehung halten, denn jetzt ist die Zeit endlich reif, um über einen schrittweisen Abzug der meisten US-Soldaten nachzudenken. Durch die Aufstockung der US-Truppen konnte die Gewalt ausreichend reduziert werden, um nun "Halleluja!" sagen und sich nach einer Ausfahrt umsehen zu können: Dabei sollte es aber weder um einen schnellen Abzug noch um eine langfristige Okkupation gehen, die aus der falschen Hoffnung genährt wird, der Irak könne die arabische Version von Südkorea oder Deutschland sein.
Beim Nachdenken über die Zukunft des Irak haben mir Gespräche mit dem pensionierten australischen Oberstleutnant David Kilcullen geholfen. Er hat im Team von General David Petraeus, dem Oberkommandierenden der US-Truppen im Irak, maßgeblich am jetzigen irakischen Einsatzplan mitgearbeitet. Kilcullens Hauptargument ist, dass wir die Atempause nützen müssen, die uns die Truppenaufstockung gebracht hat, um zu einer Präsenz im Irak zu finden, die zukunftsfähig und weniger kostspielig ist. Laut Schätzungen des US-Kongresses kostet der Irakkrieg die USA rund 400 Millionen Dollar - täglich.
Diese Kosten treiben die USA in die Falle, die Osama bin Laden 2004 beschrieben hat: Er wollte die USA so tief in die Auseinandersetzung hineinziehen, dass sie die Region am Ende völlig erschöpft und bankrott verlassen, wie die Sowjets seinerzeit Afghanistan. Kilcullen sagt, wie vor ihm schon Abizaid, dass die massive Besetzung zusätzliche Feinde geschaffen hat. So ist die menschliche Natur: Die Menschen sehen nicht gerne fremde Soldaten auf ihren Straßen. Die Alternative wäre eine kleinere, beweglichere Resttruppe, die sich auf jene Aufgaben konzentrieren könnte, die von den meisten Irakern und Amerikanern als vernünftig angesehen werden: den Kampf gegen Al-Kaida-Terroristen und die Ausbildung des irakischen Militärs.
Die zukünftige US-Präsenz im Irak könnte sehr viel stiller, mehr im Verborgenen ablaufen. Die USA haben sich in den vergangenen Jahren viele Freunde unter Stammesführern gemacht. Diese Beziehungen werden nun in der nächsten Phase sehr wichtig sein. Und sehr wichtig wird in Zukunft vor allem die Diplomatie sein, inklusive der heimlich geübten Variante.
Die nächste US-Regierung wird nicht öffentlich mit terroristischen Vereinigungen verhandeln wollen. Es spricht aber nichts dagegen, es Henry Kissinger nachzutun, der 1974 Verbindungen des US-Geheimdienstes zur palästinensischen Befreiungsorganisation billigte, obwohl die US-Regierung die PLO als terroristische Vereinigung ablehnte und sich weigerte, PLO-Vertreter zu treffen.
Im US-Wahlkampf ist die Debatte über den Irak bisher sehr fruchtlos verlaufen, was die Sache so aussehen lässt, dass es nur die Wahl gibt zwischen Barack Obamas Lösung, alle Truppen aus dem Irak abzuziehen, und John McCains Lösung, wie bisher weiterzumachen, um einen militärischen Sieg zu erringen. Keines von beiden ist realistisch. Der richtige Weg liegt dazwischen: ein Weg, der die irakische Souveränität anerkennt, aber auch sorgfältig die Interessen der USA schützt.
Übersetzung: Redaktion
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