E-Card für alle kommt jedenfalls mit 1. September. | Kärnten schließt rückwirkende Auszahlung aus. | Wien. Heute, Mittwoch, ist Lostag im Parlament. Zu Mittag wird nach langem Hin und Her und einem koalitionären Beinahe-Zerwürfnis die bedarfsorientierte Mindestsicherung im Parlament beschlossen. Die Regierung hat dabei lediglich die Unterstützung von den Grünen - die sind zwar nicht begeistert, Sozialsprecher Werner Kogler spricht aber von einem "Schritt in die richtige Richtung".
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Wie sieht dieser Schritt nun im Detail aus? Der wichtigste Aspekt, auf den bereits eine Reihe von Sozialministern vor Rudolf Hundstorfer gedrängt haben, ist die Vereinheitlichung der Sozialhilfe. Derzeit wird diese in allen neun Bundesländern in unterschiedlicher Höhe und mit unterschiedlichen Kriterien ausbezahlt. In Zukunft gilt für alle Empfänger der Mindestsicherung der gleiche Satz von 744 Euro netto monatlich, zwölf Mal im Jahr. Paare erhalten 1116 Euro netto, für Kinder gibt es 18 Prozent des Betrags für Alleinstehende (134 Euro netto), ab dem vierten Kind 15 Prozent.
Von dem ursprünglichen Plan, die Mindestsicherung 14 Mal jährlich auszuzahlen, ist man abgerückt - den Ländern stehen Besserstellungen, etwa durch häufigere Auszahlung, höhere Wohnbeihilfen oder Beiträge für Kinder aber frei.
Gleichzeitig findet sich in der entsprechenden 15a- Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ein Verschlechterungsverbot, wonach kein Haushalt durch die Einführung der Mindestsicherung weniger Geld erhalten darf als zuvor durch die Sozialhilfe. Ob das auch in allen Fällen eingehalten werden kann, wird erst die Umsetzung zeigen.
Bund kann säumiges Land vor VfGH bringen
Sollte sich ein Land nicht an die Vereinbarung mit dem Bund halten, so kann dieser den säumigen Vertragspartner vor den Verfassungsgerichtshof bringen, erklärt Arbeits- und Sozialrechtler Walter Pfeil. Hundstorfer geht aber davon aus, dass "vereinbarte Dinge eingehalten werden", heißt es aus seinem Büro.
Laut Pfeil kommt die Mindestsicherung vor allem Alleinerziehenden zugute: Haben diese nämlich bisher als "Haushaltsvorstände" weniger Sozialhilfe als Alleinstehende bekommen, so werden sie nun als Alleinstehende behandelt und bekommen den Kinderbeitrag zusätzlich ausbezahlt.
Eine weitere Neuerung im Zusammenhang mit der Mindestsicherung ist die Versicherung: Anders als die bisherigen Sozialhilfeempfänger werden künftig alle rund 270.000 Bezieher über die E-Card versichert.
Regress für Angehörige fällt weitgehend weg
Eine eigene Wohnung kann man behalten, sofern sie für den Eigenbedarf gebraucht wird und angemessen ist. Der Regress auf Angehörige fällt weg - außer für Eltern minderjähriger Bezieher und (Ex-)Ehepartner.
Auch die Pflicht zur Rückzahlung entfällt - mit einer Ausnahme: Wer eine Eigentumswohnung bewohnt und länger als sechs Monate Mindestsicherung bezieht, der muss damit rechnen, dass sich die Sozialbehörde ins Grundbuch einträgt. Verfügt man wieder über ein Einkommen, muss die Mindestsicherung bis zur Höhe des Wohnungswerts oder des Bezugs zurückgezahlt werden.
Schließlich muss man sich arbeitswillig zeigen: Wer nicht regelmäßig zum AMS "stempeln" geht, Weiterbildungsmaßnahmen oder zumutbare Jobs nicht annimmt, muss mit einer Kürzung von 50 Prozent, in Ausnahmefällen mit kompletter Streichung rechnen.
Die Kosten liegen für den Bund bei rund 160 Millionen Euro für 2011, 30 Millionen davon fließen in das AMS. Die Kosten für die Länder sind mit 50 Millionen Euro jährlich gedeckelt.
Während mit dem Nationalratsbeschluss gesichert ist, dass ab 1. September alle Sozialhilfeempfänger eine E-Card erhalten und der Bund die Kosten für die Sozialhilfeempfänger übernimmt, so ist die Höhe der Mindestsicherung noch keineswegs überall fix.
1. September in Wien, Salzburg und NÖ fix
Diese hängt nämlich von eigenen Mindestsicherungsgesetzen in den Ländern ab. Und solche haben bisher nur Salzburg und Wien verabschiedet. In Niederösterreich soll der Landtagsbeschluss am 15. Juli fallen. In allen anderen Ländern wird die Mindestsicherung wohl erst mit 1. Jänner 2011 eingeführt und rückwirkend bezahlt.
Einzig Kärnten schließt eine rückwirkende Auszahlung kategorisch aus. Während Hundstorfer aber auf eine rückwirkende Auszahlung pocht, hält Experte Pfeil dies wegen des enormen Verwaltungsaufwands ohnehin für unrealistisch: "Dass das wirklich im großen Stil erfolgt, kann ich mir nicht vorstellen."