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Weg frei für Verbotsklage gegen Kurdenpartei HDP in der Türkei

Von Martyna Czarnowska

Politik

Verfassungsgericht lässt Verfahren zu. Zweitgrößte Oppositionspartei spricht von politischem Prozess.


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Der erste Antrag scheiterte an formalen Hürden. Doch den zweiten nahm das türkische Verfassungsgericht an: Es hält die Klage des Generalanwalts gegen die kurdisch dominierte Partei HDP für zulässig. Damit ist der Weg frei für ein Verbotsverfahren gegen die zweitgrößte oppositionelle Fraktion im Parlament in Ankara. Dieser werden unter anderem Separatismus sowie Verbindungen zur als Terrororganisation eingestuften Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen.

Damit wird das staatliche Vorgehen gegen die HDP weiter verschärft, auf die der Druck schon in den vergangenen Jahren massiv gestiegen ist. Etliche Abgeordnete und hunderte Mitglieder wurden verhaftet, Bürgermeister vor allem im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten der Türkei abgesetzt. Dort genießt die HDP große Zustimmung in der Bevölkerung, was vor allem der konservativen Regierungspartei AKP rund um Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gar nicht gefällt.

Noch offener angefeindet wird die Kurdenpartei aber von der türkisch-nationalistischen MHP, mit der die AKP ein Zweckbündnis zum Machterhalt eingegangen ist. MHP-Vorsitzender Devlet Bahceli spricht von einer "kriminellen Organisation".

Die HDP wiederum ortet eine politische Hetze, die in der Anklage einen weiteren Höhepunkt erreicht. Immerhin soll 451 HDP-Politikern ihre Tätigkeit verboten werden, im Raum ist außerdem die Drohung von Kontosperren gestanden. Laut Ko-Parteivorsitzendem Mithat Sancar wurde die Justiz der Politik geopfert.

Auch viele Experten sehen das Verbotsverfahren als politisch motiviert an. Für den Vorwurf der Gewaltbereitschaft gibt es keine Beweise, ebenso wenig für den, dass die HDP die territoriale Einheit des Landes zerstören wolle. Hinzu kommt, dass die Klage nur wenige Monate nach einer entsprechenden Forderung Bahcelis vorbereitet wurde. Dass die Justiz dem willig nachgekommen sei, sei auch ihrer Neuordnung geschuldet, die in den vergangenen Jahren nach dem Wunsch Erdogans erfolgt sei, schreibt etwa Osman Can in einer Analyse für die in Berlin ansässige Stiftung Wissenschaft und Politik. So verdankten derzeit 8 der 15 Mitglieder des Verfassungsgerichts ihre Kür dem Präsidenten, und dieser hatte im Vorjahr auch den Generalstaatsanwalt ernannt, der nun das HDP-Verbot fordert.

Gesellschaftliche Brisanz

Sollte der Bann durchgesetzt werden, kommt das bei den nächsten Wahlen wohl der AKP zu Gute. Deren Sympathiewerte in der Bevölkerung sinken, auch wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes - aber ohne die HDP wären vielleicht doch zusätzliche Stimmen zu gewinnen.

Denn eine Nachfolgepartei könnte die HDP wohl nicht rechtzeitig gründen. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass eine Gruppierung in der Türkei sich nach ihrer Sperre unter einem anderen Namen neu gründet. Parteiverbote haben dort nämlich durchaus Tradition: In den vergangenen 40 Jahren wurden sie gut zwei Dutzend Mal ausgesprochen. Sie betrafen nicht nur kurdische Gruppierungen, sondern auch islamische - wie etwa die AKP selbst.

Die Dimension eines HDP-Verbots ist aber nicht nur eine politische, sondern auch eine gesellschaftliche. Besonders kurdische Wähler müssten das Verfahren "so verstehen, dass die von ihnen gewählten Vertreter selbst dann kriminalisiert werden, wenn sie nicht auf Gewalt zurückgreifen und sich für die Demokratie einsetzen", konstatiert Rechtswissenschafter Can. Das könnte dazu führen, dass das Zugehörigkeitsgefühl der Kurden zu einem Staat, in dem sie sich nach Jahrzehnten der Diskriminierung noch immer ausgeschlossen fühlen, weiter abnehme. Und das wiederum würde bedeuten, dass "die Demokratisierung der Türkei in noch weitere Ferne rückt".