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Weg zwischen Helfen und Härte

Von Brigitte Pechar

Politik

Der Erstentwurf des Justizministeriums zur Novellierung des Suchtmittelgesetzes hat im Sommer zu einstimmiger Ablehnung aller Experten und der Bundesländer geführt. Mit einer Überarbeitung dieses Entwurfes hat Justizminister Dieter Böhmdorfer nun den Kritikern den Wind aus den Segeln genommen, wenngleich er den bisher geltenden Grundsatz "Helfen statt Strafen" in "Härte, wem Härte gebührt - aber therapeutische Hilfe, wo diese zielführend ist" abgewandelt hat.


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Als Argumente für eine Änderung des seit 1. Jänner 1998 geltenden Suchtmittelgesetzes (SMG, seit den 70er Jahren galt das Suchtgiftgesetz, SGG) wurde die stark gestiegene Anzeigenstatistik für Drogendelikte angeführt. Der nationale Drogenkoordinator, Gerhard Litzka aus dem Justizministerium, bestätigt, dass es in den vergangenen zehn Jahren zu einer Veracht- bis Verzehnfachung der Anzeigen gekommen ist. Er führt das aber auf Massenanzeigen zurück, die sich durch teilweise verdeckte Ermittlungen der Exekutive ergaben. In der gleichen Zeit seien die Anzeigen gegen Händler gesunken. "Wir stellen also ein starkes Ansteigen der Anzeigen gegen Konsumenten, aber einen starken Rückgang der Anzeigen gegen Händler fest", betonte Litzka. 1999 wurden insgesamt 3.359 Personen auf Grund von Drogendelikten verurteilt, gegenüber 1998 ein Anstieg um 32 Personen.

Ziel sei es, bekräftigte ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter, die Dealer herauszufiltern. Derzeit würden sich Händler häufig als Süchtige darstellen, um der Strafe zu entkommen. Deshalb müsse nach dem Vorschlag der Regierung künftig Sucht nachgewiesen werden.

Der nach dem überarbeiteten Erstentwurf zur Novellierung des SMG nun vorliegende Entwurf, der im 1. Quartal 2001 im Nationalrat zur Behandlung stehen wird, sieht zwei wesentliche Änderungen vor:

1. Ausdehnung der Strafdrohung von bisher 20 Jahre auf lebenslänglich für Drogenhändler, die in einem Drogenring mit großen Mengen Suchtgift führend tätig sind.

"In der Geschichte des österreichischen Drogenrechtes hat es bisher einen einzigen Fall mit einer Haftstrafe von 18 Jahren gegeben", erläuterte der Wiener Drogenkoordinator Peter Hacker, diese Änderung. Rechtsexperten verwiesen im Rahmen der Enquetekommission allerdings darauf, dass Österreich ein "Hochstrafenland" sei und nur in wenigen europäischen Staaten für Delikte, die nicht Totschlag oder Mord sind, lebenslange Freiheitsstrafen vorgesehen sind. Die Strafverschärfung für "Drogenbosse" hat für Fekter deshalb auch "mehr Signalcharakter".

2. Einschränkung der Möglichkeit der vorläufigen Anzeigenrücklegung, wenn der Täter innerhalb offener Probezeit nach bereits einmal erfolgter Anzeigerücklegung erneut wegen Erwerbes oder Besitzes einer geringen Menge Suchtmittel zum Eigengebrauch angezeigt wird.

Darin sieht Hacker ein Problem, denn die Anzeigen werden dadurch sicher steigen.

Grenzmengenverordnung führt zu mehr Verurteilungen

Die Grenzmengenverordnung legt fest, bis zu welcher Menge an Suchtgift ein Delikt ein Vergehen und ab wann es ein Verbrechen ist. Derzeit gilt für Heroin als Grenzmenge 5 Gramm. Die neue Verordnung des Gesundheitsministeriums sieht eine Absenkung auf 3 Gramm vor. Auch "das wird zu mehr Verurteilungen und damit zu mehr Häftlingen führen", ist Hacker überzeugt. Das Ausmaß der Haftdrohungen richtet sich nach der Grenzmenge: So ist das Mitführen der 25fachen Grenzmenge ein schweres Delikt, die geringe Menge (10 bis 20 Prozent der Grenzmenge) hingegen muss zur Zurücklegung der Anzeige bei gleichzeitiger zweijähriger Probezeit führen. Diese Muss-Bestimmung wird nun im Wiederholungsfall in eine Kann-Bestimmung umgewandelt.

Böhmdorfer sieht in der Herabsetzung der Grenzmenge keinen Anschlag auf den Grundsatz "Helfen statt Strafen". Der Grundsatz "Härte, wem Härte gebührt - aber therapeutische Hilfe, wo diese zielführender ist" werde auch künftig nicht in Frage gestellt, betonte der Justizminister. Das entspreche auch dem Regierungsprogramm wonach Therapie intensiviert werden soll.

Allerdings registriert SPÖ-Abg. Johann Maier bereits eine "massive Kürzung" der für Prävention, Beratung und Behandlung zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel. Hacker bestätigt das: "Das Gesundheitsressort hat heuer die Subventionen für diese Bereiche um 8 Prozent gekürzt." Als Beispiel nannte Hacker das europaweit beachtete Wiener Projekt "ChEkiT", bei dem Chemiker und Therapeuten zu großen Rave-Veranstaltungen fahren und dort Ecstasy testen sowie mit Jugendlichen Beratungsgespräche führen. Dafür wurden vom Bund 1999 noch 1,5 Mill. Schilling zur Verfügung gestellt, für heuer sei dafür kein Geld vorgesehen.

Repression ist keine Lösung der Drogenproblematik

Litzka, der nationale Drogenkoordinator, ist froh darüber, dass das Suchtmittelgesetz Passagen (die Zurücklegung der Anzeige) eingebaut hat, die eine frühe Kriminalisierung von Jugendlichen, die nur eine geringe Menge verbotener Drogen bei sich haben, verhindern. "Niemand glaubt, mit Strafen Kranke heilen zu können", repliziert Litzka auf die Therapiemöglichkeiten für Süchtige.

"Wenn man Legionen von jungen Menschen aus dem sozialen Gefüge wirft, hat die ganze Gesellschaft die Rechnung zu bezahlen, weil sie aus diesen Menschen Arbeitslose macht, die sie dann erhalten muss. Das ist ein Weg der Umwegrentabilität einer falschen Drogenpolitik. Das ist all jenen zu sagen, die zurückkehren wollen in die Zeit vor 30 Jahren. Denjenigen, die jetzt wieder den Stein der Weisen bei der Lösung der Drogenprobleme in der reinen Repression sehen."