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Ausstellung zu Leben und Werk von Ludwig Boltzmann. | Wien. Neben Sigmund Freud und Kurt Gödel ist er der dritte große naturwissenschaftliche Jubilar des heurigen Jahres: Ludwig Boltzmann. Vor 100 Jahren setzte er seinem nach außen so erfolgreichen Leben bei einem Kuraufenthalt ein Ende. Dabei war Boltzmann kein verkanntes Genie. Wegen seiner bahnbrechenden Erkenntnisse, die ihn zum Wegbereiter der modernen Physik machten, war er schon zu Lebzeiten ein Star. Leben und Werk des Physikers und Naturphilosophen Boltzmann zeigt ab Samstag, 10. Juni, im Erwin-Schrödinger-Institut (1090 Wien, Boltzmanngasse 9) eine Ausstellung der Österreichischen Zentralbibliothek für Physik. Am Dienstag fand die Eröffnung statt.
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Im Gegensatz zu Freud und Gödel wirkte Boltzmann bis an sein Lebensende fast ausschließlich in Österreich. Er wurde am 20. Februar 1844 in Wien geboren und besuchte später das Akademische Gymnasium in Linz, wo er meistens Klassenbester war. Zu seinen Klavierlehrern zählte Anton Bruckner. Nachdem er in Wien Physik und Mathematik studiert hatte, wurde er bereits mit 25 Jahren Ordentlicher Professor an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Bald erwarb er sich als Forscher einen bedeutenden Ruf. Junge Wissenschaftler aus vielen Ländern (unter ihnen die späteren Nobelpreisträger Svante Arrhenius und Walter Nernst) pilgerten zu ihm. Auch privat war er glücklich. Im Jahr 1876 heiratete er Henriette von Aigentler, die erste weibliche Studentin in Graz, mit der er fünf Kinder hatte.
Boltzmanns wissenschaftliche Erkenntnisse fallen in die Zeit der Wende vom klassisch-Newtonschen zum modernen Weltbild der Naturwissenschaften. Kein Physikstudent kann heute an Boltzmann vorbei. Boltzmann-Konstante, Boltzmann-Faktor, Boltzmann-Gleichung und Boltzmann-Verteilung sind einige nach ihm benannte Begriffe. Der wirklich große Wurf gelang dem Verfechter des Atomismus im Jahr 1877 auf dem Gebiet der Thermodynamik durch die atomistische Deutung des Begriffs der Entropie. Er konnte erfolgreich nachweisen, dass Wärme kein makroskopisches Phänomen ist, sondern ein mikroskopisches: Wärme kommt durch die Bewegung vieler Teilchen zustande.
Die Grundaussage von Boltzmanns Beweis kennt jeder von seinem eigenen Schreibtisch: Unordnung entsteht leichter als Ordnung. Wenn man ein System von Atomen sich selbst überlässt, nimmt die Unordnung zu und damit die Wärme. Kurz: Je größer die Unordnung, umso höher die Wärme. Am knappsten drückt das die Formel S = k [*] log W aus, die auch auf Boltzmanns Grabstein auf dem Wiener Zentralfriedhof eingraviert ist.
Leider hatte Boltzmann einen labilen Charakter. Er war oft einsam, Depressionen, Asthma, Angina, Kopfweh, Kurzsichtigkeit und Schlaflosigkeit plagten ihn. Er fürchtete eine Abnahme seiner geistigen Kraft. Am 5. September 1906 erhängte er sich in seinem Hotelzimmer in Duino bei Triest und wurde von seiner 15-jährigen Tochter Elsa gefunden.
Die Wanderausstellung im Erwin-Schrödinger-Institut wird am 3. Juli in die nur wenige Meter entfernte Österreichische Zentralbibliothek für Physik übersiedeln und ab dem 28. August in Triest zu sehen sein.