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Wege aus der Orientierungslosigkeit

Von Walter Hämmerle

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Funktionärsbefriedigung, Wählerseelenerforschung oder doch lieber Überzeugungstäter?


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Wen fragen? Es ist wahrlich nicht die unbedeutendste Frage, vor der die Politik steht. Orientierungslosigkeit, wohin man blickt - da ist guter Rat wertvoll. Nur, wem soll man als verantwortungsbewusster Volksvertreter sein geneigtes Ohr leihen?

Die Wiener ÖVP hat das für sich schon entschieden. Sie will ihre 1150 zumeist ehrenamtlichen Funktionäre -eine erstaunliche Zahl für eine mittlerweile recht kleine Partei - befragen und so jene Themen finden, die in eine bessere Zukunft führen.

Einiges spricht für einen solch organisationsinternen Zugang. Immerhin sind die eigenen Funktionäre das wertvollste Kapital jeder Organisation. Zu wissen, wie diese Seele des Apparats tickt, ist für jede Parteiführung eine Überlebensfrage.

Allerdings gibt es auch Argumente dagegen, noch dazu, wenn eine Partei so arg gebeutelt wurde wie die Wiener ÖVP. Wer schrumpft, reduziert sich unweigerlich auf den Kader, der sich wiederum vermehrt nach außen abschottet. Der mentale Graben zwischen den politischen Stimmungen der Wähler und jenen unter den Funktionären wird immer breiter - bis der Punkt erreicht ist, wo sich die Lebensrealität der einen nur noch am Rande mit jener der anderen überschneidet.

Erfolgversprechend wäre diese Strategie, wenn die Parteiführung zuletzt eine Linie verfolgte, die zu den Überzeugungen ihrer eigenen Basis im Widerspruch stünde. Tatsächlich ist die Stadtpartei in den vergangenen Jahren zwischen einem betont liberalen und eher konservativen Kurs geschwankt, während die Funktionäre überwiegend dem konservativen Lager zuzurechnen sind. Eine Basisbefragung hätte dann den Zweck, den Kurs der Spitze mit dem Gefühl an der Basis wieder gleichzuschalten. Es ist dies eine Krisenreaktion, mit der der Sturz ins Bodenlose abgewendet werden soll. Stimmen lassen sich so nicht hinzugewinnen, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang.

Natürlich kann eine solche Befragung auch Selbstzweck sein. Etwa, um der grummelnden Basis zumindest das Gefühl des Eingebundenseins zu vermitteln. Beschäftigungstherapie für all jene also, die ansonsten auf unkluge Gedanken kommen könnten.

Die Demoskopie ist die Alternative zur Selbsterforschung der Parteien. Dazu sollte man jedoch zumindest eine vage Idee davon haben, für wen man auf Grundlage welcher Überzeugungen denn überhaupt Politik machen möchte. Die Suche nach Mehrheiten in Einzelfragen ergibt noch längst kein glaubwürdiges Programm. Auf solch plumpen Populismus müssen vor allem angegraute Mehrheitsparteien zurückgreifen, wenn sie das sichere Gespür dafür verloren haben, wo die eigenen Leute stehen. Deren Vorteil gegenüber verzweifelt-erratischen Kleinparteien ist, dass sie immerhin noch über einen intakten politischen Markenkern verfügen.

Bleibt als dritte Variante: Selbstvertrauen in den eigenen politischen Instinkt, die eigenen Überzeugungen. Mehrheiten sind nämlich kein Zufallsprodukt, sie werden gebildet und lassen sich bilden.

Einzige Bedingung: Mit der Realität sollten sie schon übereinstimmen, die eigenen Überzeugungen.