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Wege aus der Pandemie

Von WZ-Korrespondent Andreas Lieb

Politik

Portugal konnte sich aus einer verheerenden Corona-Lage mit 17.000 Toten befreien und gilt nun als Musterland.


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Lissabon. Portugal hat den aktuellen EU-Ratsvorsitz gleich mit mehreren Erfolgsmeldungen für sich selbst gut ausgelegt, noch dazu in den beiden dominierenden Themen. Als erstes Land der Union konnten die Portugiesen ihren nationalen Plan zur Verwendung der europäischen Corona-Hilfen fertigstellen und bei der EU-Kommission einreichen, damit kommt die Hilfe aus dem Wiederaufbauprogramm - 13,9 Milliarden Euro - auf den Weg. Parallel dazu ist es dem 16-Millionen-Einwohner-Land gelungen, sich aus einer verheerenden Corona-Lage mit fast 17.000 Toten zu befreien und in relativ kurzer Zeit als Musterland zu gelten. Wie ging das alles?

Mischung aus strengen Maßnahmen und Flexibilität

Österreichs Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ist derzeit bei einem Arbeitsbesuch mit dichtem Programm in Lissabon und tauscht bei Gesprächen mit Ministern und Experten Erfahrungen aus. Ihr portugiesisches Gegenüber, Europastaatssekretärin Ana Paula Zacarias, fasste am Freitag das Wiederaufbaukonzept kurz zusammen: "Wir haben schon im Oktober mit einer unabhängig erstellten Übersicht begonnen: Was brauchen wir langfristig, mittelfristig und sofort?" Strukturiert wurde in enger Zusammenarbeit mit der EU-Kommission, es gab auch eine öffentliche Konsultation: "Bürger, Unternehmen, Organisationen haben teilgenommen, es gab mehr als 2.000 Einreichungen." Abschließend wurde nachgeschärft, etwa mehr Augenmerk auf die Wirtschaft gelenkt.

Weit mehr Aufmerksamkeit bekommt Portugal aber wegen seiner Corona-Geschichte. Das Land an der Atlantik-Küste kam halbwegs über Sommer und Herbst, doch dann explodierten die Zahlen; die traditionellen Verbindungen zu Brasilien und auch zu Großbritannien spielten eine Rolle. Portugal reagierte mit einem harten Lockdown: alle Geschäfte und Lokale zu, massive Ausgangsbeschränkungen. Bei der erfolgreichen Umsetzung mag eine Rolle gespielt haben, dass das Land zentralistisch geführt wird, so Zacarias. Vor allem aber fand man offenbar eine Mischung aus strengen Maßnahmen und Flexibilität: "Die Leute brauchen Sicherheit. Sie müssen wissen, ob etwa die Schulen offen sind oder nicht."

Das bestätigte auch der Gesundheitsexperte André Peralta Santos: "Momentan liegen wir bei einer 14-Tage-Inzidenz, die zwischen 62 und 120 schwankt. Für die Maßnahmen haben wir innerhalb des Lockdowns ein System mit vier Phasen geschaffen." Laufend werden die Daten in eine Risiko-Matrix eingepflegt, die aktuelle Inzidenzen wie auch den Trend berücksichtigt. Ganze Landesteile wandern so zwischen den Phasen hin und her; bessert sich die Lage, gibt es mehr Lockerungen, wird es schlimmer, werden die Maßnahmen verschärft. Als Maßstab gilt die 120-Inzidenz.

Wichtiger Austausch zwischen den EU-Staaten

Seit Beginn dieser Woche dürfen Restaurants und Cafés auch ihre Innenräume wieder öffnen - allerdings nur bis Samstagmittag, sonntags bleibt alles zu. "Damit nicht durch Ausflügler alles total überlaufen ist", erklärte Santos. Es gibt Masken- und Abstandspflichten, die offensichtlich gut eingehalten werden, ebenso eine Verpflichtung zu Homeoffice.

Für Edtstadler ist der Austausch zwischen den EU-Staaten extrem wichtig: "Wir brauchen Allianzen in drei Bereichen: Kampf gegen Covid, Koordination beim Wiederaufbau und ein gemeinsamer Plan für die Zukunft." Topthema war am Freitag natürlich das EU-Impfzertifikat, der Grüne Pass. Beide Ministerinnen zeigten sich sehr optimistisch, dass dieser bis zum Sommerbeginn - also zumindest bis Anfang Juli - zur Verfügung stehen wird. Bis dahin sollen laut EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen auch 70 Prozent der erwachsenen Europäer geimpft sein.

Edtstadler umriss das in Lissabon so: "Wir müssen den Leuten die Hoffnung geben, dass sie bald das Meer wieder sehen können." Derzeit laufen in Brüssel die Triloge, das EU-Parlament hat ja einem beschleunigten Verfahren zugestimmt. Aber, erinnerte Zacarias, es gebe noch Bedenken wegen eines ausreichenden Datenschutzes. Auch Detailfragen sind immer noch offen, etwa zur Beurteilung von Impfstoffen, die nicht in der EU zugelassen sind. Edtstadler meinte, in Österreich sei nach der Verzögerung durch den Bundesrat nun zumindest Anfang Juni mit den ersten Gehversuchen des Grünen Passes zu rechnen.

Beide Politikerinnen betonten, das Zertifikat werde Mobilität auf allen Ebenen bringen, nicht nur im Tourismus, sondern "auch für Geschäftsreisen sowie Sport- und Kulturveranstaltungen". Die Modalitäten dieser neuen Freiheiten besprach Edtstadler schließlich auch mit Außenminister Augusto Santos Silva und Innenminister Eduardo Cabrita. Die weiteren Schritte einer EU-weiten Öffnung müssen koordiniert ablaufen.