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Wegschauen oder Hingreifen?

Von C. Binder-Krieglstein

Gastkommentare

Oft wird von dem Phänomen berichtet, dass bei Gefahrensituationen Passanten nicht eingreifen oder auch wichtige medizinische Erste-Hilfe-Leistungen unterlassen. Das ist insofern verwunderlich, als dass die befragten Personen die Gefährlichkeit der Situation richtig einschätzten, aber die Gefahr für sich selbst noch höher bewerteten. Für Zweiteres gibt es aber oft - wohl erst im Nachhinein - eine wesentlich harmlosere objektive Beurteilung der möglichen Folgen für den potenziellen Helfer.


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Daher stellt sich die Frage nach der Ursache der Fehleinschätzung der Gefahr, die einem selbst durch eine Hilfeleistung drohen könnte. Hier sind vor allem zwei Gründe anzuführen:

* die Sorge, selbst einen Schaden zu erleiden;

* die Angst davor, die Situation nicht meistern zu können.

Der Sorge, selbst Schaden zu erleiden, begegnet man am besten mit der Abwägung des Schadens für den Betroffenen und der realen Gefährdung für einen selbst.

Ein Beispiel: Helfe ich mit, einen Flugzeugentführer - wie jüngst bei Detroit - dingfest zu machen, werde ich den Flug überleben. In solchen Fällen kann es auch zu einem Gruppenphänomen kommen, das auch vorher nicht hilfsbereite Personen zur Unterstützung motivieren kann.

Die eigene Angst vor dem Scheitern kann am ehesten durch gutes Selbstvertrauen reduziert werden. Dieser Vorgang wird auch durch das sogenannte Selbstwirksamkeitskonzept erklärt, das uns darauf hinweist, dass man das, was man sich vornimmt, auch schaffen wird. Oftmals hat man dann schon an sich selbst erfahren, dass das eigene Tun und Handeln zu dem gewünschten Ergebnis führt: wenn ich mich beispielsweise vor einer Prüfung nicht vor der möglichen Niederlage fürchte, sondern sie als Chance sehe, meine Leistung zu zeigen, und daher auf meine Fähigkeiten vertraue.

Wie geht man nun mit der inneren Frage um, ob man helfen oder sich lieber davonstehlen soll? Dieser innere Konflikt besteht darin, jemand anderem zu helfen und sich dabei einer möglichen Gefahr auszusetzen oder diese Hilfe zu verweigern - dadurch eventuell ein schlechtes Gewissen zu bekommen - und sich selbst in Sicherheit zu wiegen.

Da es eine demokratische Grundregel darstellt, anderen zu helfen, lässt sich die Motivation zum Eingreifen auch mit folgendem Gedanken unterstützen: Bin ich bereit das für andere zu tun, was ich mir in einer solchen Situation selber von den anderen erwarte?

Würde dieser Grundsatz öfter befolgt werden, müssten Unfallopfer nicht mehr so lange auf Hilfe warten, während unzählige Autofahrer am Unfallort vorbeifahren - was übrigens strafbar ist!

Bei Fragen zur Zivilcourage sind Psychologen auch an der Helpline erreichbar unter Tel. 01/504 8000.

Cornel Binder-Krieglstein ist Notfallpsychologe beim Österreichischen Psychologenverband.