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Welch desaströse Folgen es haben kann, wenn Politiker doch einmal die Wahrheit sagen - also das tun, was man von ihnen verlangt - wird jetzt am Beispiel Ungarn deutlich.
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Denn das, was Premier Ferenc Gyurcsány kurz nach seinem Wahlsieg vom April zu seinen Parteifreunden gesagt hat, war nichts als die ungeschminkte Darstellung der bitteren Realität. Zu diesem Zeitpunkt war Ungarn in punkto Staatsverschuldung EU-weit Spitzenreiter, an eine baldige Einführung des Euro etwa war und ist nicht zu denken. Was Gyurcsány getan hat, war, freimütig zu bekennen, dass seine Regierung und teilweise er selbst an diesen Missständen Schuld sind. ("Wir haben es verschissen.") Gleichzeitig war der Premier unter Nutzung deftiger Worte bemüht, seine Genossen auf einen harten Sparkurs einzuschwören. Das war deshalb notwendig, weil im Wahlkampf Sozialdemokraten wie Konservative nicht auf diese Notwendigkeit hingewiesen haben.
Viele schmerzhafte Einschnitte sind nun erfolgt. Tausende Beamtenposten wurden eingespart, die Steuern empfindlich erhöht - das spürt der Kunde etwa beim Kauf von Lebensmitteln. Das Staatsdefizit jedoch sinkt nicht - es steigt. Resultat ist, dass Gyurcsánys Regierung extrem unbeliebt ist. Das freimütige Bekenntnis des Premier, die Regierung habe gelogen, hat in dieser gereizten Stimmung das Fass zum Überlaufen gebracht.
Die Gewerkschaften, die Sparpaketen normalerweise mit (friedlichen!) Protesten begegnen, sind in Ungarn still geblieben. Sie waren nicht in der Lage, nennenswerte Demonstrationen auf die Beine zu stellen. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich jetzt Rechtsradikale zur Speerspitze der Unzufriedenheit machen.