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Cap argumentiert mit Schüssel und Pröll, Strache mit Bruno Kreisky.
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Wien. Es kommt nicht oft vor, dass Josef Cap ÖVP-Größen wie Wolfgang Schüssel oder Erwin Pröll im positiven Sinne bemüht, um seine Argumente zu unterstreichen. Auch ist es nicht alltäglich, dass sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zum selben Zweck eines Bruno Kreisky bedient. Wenn es allerdings um ein Thema wie die Wehrpflicht geht, bei dem fast jede Parlamentspartei schon einmal eine 180-Grad-Wendung vollzogen hat, überraschen auch derartige Argumentationskrücken nicht.
Am 20. Jänner wird das Volk über Abschaffung oder Beibehaltung von Wehrpflicht und Zivildienst befragt. Als Alternative zum bestehenden System fordert die SPÖ ein Berufsheer und ein bezahltes Sozialjahr. Am Mittwoch erreichte das Thema Bundesheer auch das Parlament. In einer thematisch von ihr vorgegebenen Aktuellen Stunde warb die SPÖ für ihre Pläne. Verteidigungsminister Norbert Darabos sprach von einer "Richtungsentscheidung", die zu treffen sei, und kündigte an: "Ich werde die kommenden Monate nutzen, um meinem Modell eine Mehrheit zu beschaffen."
Das Darabos-Modell sieht eine Mobilmachungsstärke von 55.000 Mann vor, bestehend aus 8500 Berufssoldaten, 7000 Zeitsoldaten, 9300 Profi-Milizsoldaten, 23.000 beorderten Milizsoldaten und 6500 Zivilbediensteten.
Neben Österreich würden nur noch Griechenland, Zypern, Estland, Finnland und Dänemark an der Wehrpflicht festhalten, so Darabos, die heutigen Bedrohungsszenarien - internationaler Terrorismus und Cyberattacken - ließen sich jedoch nur mit einem modernen Profiheer bewältigen.
Der Vegetarier als Fleischfabrikant
SPÖ-Klubobmann Cap erinnerte die ÖVP, die vehement für den Erhalt der Wehrpflicht eintritt, daran, dass Erwin Pröll 1999 und Wolfgang Schüssel 2000 für ein Berufsheer gewesen seien. Cap: "Was hat sich seither geändert?"
Noch weiter zurück griff FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: SPÖ-Ikone Bruno Kreisky habe ein Bundesheer gewollt, in dem alle sozialen Schichten vertreten seien. Eine Söldnerarmee wolle niemand. Für Strache liegt das Übel in der Person des Zivildieners Darabos: "Man kann keinen Vegetarier zum Generaldirektor einer Fleischfabrik machen."
Auch ÖVP-Wehrsprecher Oswald Klikovits griff Darabos an: "Sie fühlen sich dem Bürgermeister von Wien verpflichtet, wir fühlen uns Österreich verpflichtet", so Klikovits und erinnerte daran, dass Michael Häupl die SPÖ im Wien-Wahlkampf 2010 auf Berufsheer-Kurs gebracht hat. Kritik äußerte der ÖVP-Wehrsprecher auch an Darabos’ Berechnungen: In allen Ländern, wo auf Berufsheer umgestellt wurde, hätten sich die Kosten mindestens verdoppelt.
Das Hauptgewicht legte die ÖVP in ihrer Argumentation allerdings auf den Zivildienst. Dieser sei wichtiger denn je und schaffe die Grundlage der Zivilgesellschaft. Dass die Volkspartei quasi mit dem Zivildienst die Wehrpflicht retten will, brachte ihr hämische Kritik von Rot und Grün ein, schließlich hätte die ÖVP noch vor 20 Jahren die Zivildiener als Drückberger verunglimpft.
Ansonsten nutzten die Grünen die Wehrpflichtdebatte - wie jede Debatte des Tages -, um sich über das Vorgehen der Regierungsparteien in Sachen U-Ausschuss zu echauffieren.
Für BZÖ-Chef Josef Bucher wiederum wollen SPÖ und ÖVP mit der Wehrpflichtdebatte lediglich von ihrem Versagen bei der Bekämpfung der Krise auf europäischer Ebene ablenken.