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Darabos will Volksbefragung, ÖVP legt nach und fordert Volksabstimmung.
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Wien. Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) will die direkte Demokratie stärken und über die Abschaffung der Wehrpflicht abstimmen lassen, wie er am Mittwoch erklärte.
Und das obwohl die SPÖ in Sachen Demokratiereform eigentlich auf der Bremse steht - schließlich sei eine Volksabstimmung nötig, um die Volksabstimmung zu reformieren, und das brauche Zeit, erklärte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bereits vor einer Woche. Ein überschießendes Persönlichkeitswahlrecht könnte Vorteile für Reiche bringen, fürchtet Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Selbst Bundespräsident Heinz Fischer ist besorgt, dass die parlamentarische Verantwortung übersprungen wird, wenn man Volksabstimmungen erleichtert.
Geht es nach der ÖVP, so soll künftig eine Volksabstimmung aber bereits stattfinden können, wenn es 650.000 Unterschriften von Unterstützern gibt. Und dieses Paket sollte noch heuer beschlossen werden.
Nun stellt Darabos der ÖVP die Rute ins Fenster und fordert eine Volksbefragung über die Wehrpflicht - als "Nagelprobe" für die ÖVP", wie er am Mittwoch nach dem Ministerrat erklärte. Auch Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich von einem derartigen Votum angetan. Vizekanzler Michael Spindelegger legte eins drauf und sprach sogar von einer Volksabstimmung anstelle einer Volksbefragung.
Die Opposition ist erfreut über die Entwicklung, zumal jede Partei ihr eigenes Demokratiepaket in der Schublade hat und dieses am liebsten sofort umgesetzt sehen will. Das BZÖ fordert unter anderem Internet-Volksbegehren mit einer Hürde von 400.000 Unterschriften für eine Volksabstimmung, die Abschaffung des Bundespräsidenten sowie die Abschaffung der Landtage.
Geht es nach der FPÖ, sollte jede "nderung der Grundlagen der EU (zum Beispiel der EU-Beitritt der Türkei) einer Volksabstimmung unterzogen werden. Bei der FPÖ würden dafür schon 250.000 Unterschriften ausreichen - und auch Verfassungsgesetze und Menschenrechte einbeziehen.
Die Grünen setzen auf ein dreistufiges Modell für eine "Volksgesetzgebung": Die Bürger sollen über eine Volksinitiative Gesetze initiieren können. Volksbegehren, die von vier Prozent der Wahlberechtigten unterschrieben werden, sollen automatisch zur Volksabstimmung führen.
Über ein ähnliches Paket hat im Übrigen bereits Barbara Prammer im Dezember 2011 mit der "Wiener Zeitung" gesprochen: Von engagierten Initiativen formulierte Gesetzestexte könnten demnach mit einer ausreichenden Anzahl von Unterschriften ins Parlament gelangen und auf Verfassungs- und Menschenrechtskonformität überprüft werden.
"Enquete unverzichtbar"
Innerhalb der Koalition dürfte man sich jedenfalls schon einig darüber sein, worüber nicht abgestimmt werden soll: Grundprinzipien der Bundesverfassung, völkerrechtliche Verpflichtungen, EU-Primärrecht, Menschenrechts- und Grundrechtsfragen.
"Die Schnittmenge ist zutreffend, aber es gibt so viele andere Nuancen, die noch durchgedacht werden müssen", betonte Günther Kräuter im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Eine parlamentarische Enquete mit allen Parteien, Initiativen, nationalen und internationalen Experten sei daher unverzichtbar - "und eine voreilige Entscheidung fahrlässig".