Befreiung von Wehrpflicht nur in Einzelfällen. | Funk: "Änderung des Systems durch die Hintertür illegal." | Wien. Die Debatte um die Wehrpflicht hat zuletzt eine interessante, wenn auch etwas eigenartige Wendung genommen. Ausgehend vom grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz und der "Kronenzeitung" - wenn auch nicht gemeinsam - werden nun Überlegungen gewälzt, ob und wie man trotz bestehender Wehrpflicht die Wehrpflicht umgehen kann.
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Während die "Krone" eine "Flucht vor der Wehrpflicht" prophezeit - und sich dafür eine Anzeige der Offiziersgesellschaft wegen Anstiftung zu Wehrdienstverweigung bei der Staatsanwaltschaft Wien einhandelte - setzt Pilz auf einen "strikt legalen Weg". Die Grünen planen nämlich ab März eine "Wehrvermeidungsberatung". Gemeinsam mit Ärzten und Juristen sollen junge Männer rechtlich und medizinisch beraten werden über ihre Möglichkeiten, dem Wehrdienst zu entkommen.
An der Wehrpflicht selbst ändert das freilich nichts. "Jeder männliche Staatsbürger ist wehrpflichtig", heißt es in Artikel 9a, Absatz 3 der Bundesverfassung. Etwas konkreter ist Paragraph 10 des Wehrgesetzes: "Alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind wehrpflichtig."
Wenn der Sohn den Hof übernehmen muss
Allerdings sieht Paragraph 26 des Wehrgesetzes auch Ausnahmen zur Wehrpflicht vor, etwa aus "gesamtwirtschaftlichen oder familienpolitischen Interessen". Das heißt, wenn ein junger Mann zuhause unabkömmlich ist, weil er den Hof des Vaters übernehmen muss, muss er nicht einrücken.
Geht es nach Pilz, könnte Verteidigungsminister Norbert Darabos die Wehrpflicht über Paragraph 26 quasi im Alleingang aushebeln: "Er könnte 24.000 Einzelbescheide ausstellen, in denen er den jungen Männern mitteilt, Wir verzichten auf ihren Präsenzdienst."
Pilz räumt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" allerdings ein, dass dieser Vorschlag bei Verfassungsjuristen nur bedingt auf Zustimmung stößt. Während etwa Heinz Mayer sich eine vorübergehende Aussetzung "für ein bis zwei Jahre" auf diesem Weg vorstellen kann, sieht Bernd-Christian Funk eine Verpflichtung des Staats, die Wehrpflicht durchzusetzen - aufgrund seiner in der Verfassung verankerten Aufgaben, die eine Landesverteidigung vorsehen.
24.000 Einzelbescheide wären Missbrauch
"Die Ausnahmen in Paragraph 26 sind auf Einzelfälle zugeschnitten", sagt Funk zur "Wiener Zeitung". So zu tun, als ob es sich um 24.000 Einzelfälle handle, wäre ein Missbrauch. "Eine solche Systemveränderung durch die Hintertüre wäre illegal, das wäre der Versuch, es auf die schlamperte Art zu machen."
Solange die Verfassung also nicht geändert wird, bleibt dem Staat also nichts anderes übrig, als die Wehrpflichtigen auch einzuziehen. Was aber, wenn es mehr potenzielle Soldaten gibt, als man braucht? "Am naheliegendsten wäre da eine Auswahl nach der Tauglichkeit", so Funk, "sind dann immer noch zu viele da, wäre auch ein Losverfahren möglich."
Dass zu viele Wehrpflichtige vorhanden sind, glaubt Funk aber nicht, schließlich müsse die als Staatszielbestimmung festgeschriebene Landesverteidigung aufrechterhalten werden.