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Wehrpflicht: Müder Kampf um letzte Promille

Von Clemens Neuhold und Stanislav Jenis

Politik
Heißer Punsch und rote Wangen. Mobilisierung mit dem "Punsch-O-Mobil" kommt nicht in Fahrt.
© Jenis

Hannes Androsch: Für eine Schlussoffensive fehlt die Zeit.


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Wien. Auf dem Wiener Franz-Josephs-Bahnof verkehren üblicherweise Züge und Straßenbahnen. Diesmal aber macht das "Punsch-O-Mobil" Station. Es ist das Vehikel, mit dem die SPÖ das Land raus aus der Wehrpflicht und rein in ein Berufsheer führen will. Zum alkoholischen Heißgetränk gibt es nüchterne Info-Broschüren, mit denen die Parteisoldaten die Passanten für die Profiarmee zu erwärmen versuchen.

Zwei Security-Männer freut die willkommene Abwechslung, pflichtbewusst greifen sie zum Kinderpunsch. Sie schlürfen ihn teilnahmslos. Schon reger beteiligt sich eine Pensionistin an der Aktion - allerdings nicht so, wie es die Partei sich wünscht. "Die Jungen sind doch eh alle arbeitslos, beim Heer und beim Zivildienst haben sie wenigstens was zum tun", meint sie und rückt sich ihre Wintermütze empört zurecht. Dann locken die Punsch-Dämpfe einen jungen, blonden Studenten an. Auf ihn und seine Altersgenossen setzen die Parteistrategen, sie sollen auch ihre Eltern und Großeltern vom Berufsheer überzeugen. Denn welcher Junge braucht schon die Wehrpflicht und wer hatte beim Heer schon eine gute Zeit?

Ein klarer Trend

Blöderweise genau dieser junge Mann. Er fürchtet sich außerdem, dass ein Berufsheer Österreich eher in Kriegseinsätze verwickelt. Und das will er nicht.

Zwei Stimmen, 2:0 gegen das Berufsheer. Das ist noch nicht repräsentativ; ebenso wenig wie die Anzahl der Facebook-Daumen, die auf der Internet-Plattform für die eine oder andere Seite nach oben gehen. Doch auch hier ist der Trend eindeutig. "Einsatz für Österreich", das Lager der Wehrpflicht-Befürworter hält bei über 6800 "Likes", das Personenkomitee "Unser Heer" rund um den Ex-Finanzminister Hannes Androsch bei 5000 Stimmen weniger, also 1800.

Schon viel repräsentativer sind die Einschätzungen der Meinungsforscher. Und auch hier sind sich Experten wie Peter Hajek oder Wolfgang Bachmayer einen klaren Trend zur Wehrpflicht. Fazit Bachmayer: Der SPÖ gelingt die Mobilisierung überhaupt nicht." Dem "Punsch-O-Mobil" fehlen die Pferdestärken.

Kriegskasse bald leer

Kann nun eine Winteroffensive der Berufsheer-Fans noch die Wende bringen? Mit 100 "Punsch-O-Mobils" in ganz Österreich? Dagegen sprechen zwei Faktoren: die Zeit und das Geld. Die Kriegskasse füllt die Bundes-SPÖ, bestätigt ihr Geschäftsführer Günter Kräuter - sowohl für die Punsch-Kanonen als auch für die modernen Info-Waffen wie TV-Spots und Radiowerbung. In Kürze strahlt "Unser Heer" solche Spots im Privatfernsehen aus (im ORF sind Belangsendungen nicht mehr erlaubt). Doch Kräuter stellt schon jetzt klar: "Wir bleiben weit unter einer Million Euro." Damit muss die Plattform "Unser Heer" auskommen, denn weiteres Geld von privaten Sponsoren wird es nicht geben, sagt Androsch.

Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" wirkt der General schon jetzt ein bisschen kriegsmüde. "Jetzt passiert einmal gar nix, die Leute haben zu Weihnachten und Neujahr andere Sorgen. Und dann bleiben noch zwei Wochen Zeit. Aber die werden nicht mehr reichen, um die Leute aufzuklären, die Zeit ist viel zu kurz." Diese "kurzfristige Befragung" ohne "hinlängliche Aufklärung" bezeichnet er als "frivol". Für das Bildungsvolksbegehren, das er ebenfalls anführte, habe man ein Jahr Zeit gehabt.

Androsch mit Brecht-Zitat

Der Ex-Finanzminister will zwar die Flinte nicht ins Korn werfen, rechnet aber aufgrund des engen Zeitplans mit einer sehr geringen Beteiligung: "Stell’ dir vor, es ist Volksbefragung und keiner geht hin." Der SPÖ-Elder-Statesman Androsch kritisiert, dass es die Regierung nicht geschafft hat, ein Abstimmungsbuch wie in der Schweiz aufzulegen, mit dem die Bevölkerung sich ein Bild hätte machen können. Die ÖVP habe ihre Position gar nicht genug klargemacht und auch der SPÖ wirft er mangelnde Unterstützung vor.

Seine Partei hat jedenfalls längst den Rückzug angetreten. Sowohl Bundeskanzler Werner Faymann und Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas betonen, wie das Ergebnis auch sei, man müsse es akzeptieren. Die Schlussoffensive für ein Berufsheer bleibt also in der Partei am Verteidigungsminister Norbert Darabos hängen, den viele Kommentatoren schon als "alleine zu Hause" bemitleiden.

Am "Punsch-O-Mobil" schenken die Parteisoldaten den Menschen weiterhin ihre Argumente ein. "Gegen Zwangsverpflichtung, für Freiwilligkeit am 20. Jänner!" Um das Match zu gewinnen, bräuchten sie jetzt wohl 100 Mobile, die in Österreich den ganzen Tag kurven. Doch dafür fehlen wohl der rechte Willen und das nötige Geld. Pünktlich um 18 Uhr fährt das Mobil in die Garage.

Was für ein Berufsheer spricht - und was dagegen

Die Mobilmachung:

Für das Volksbegehren am 20. Jänner machen zwei Lager mobil. Für die Wehrpflicht wirft sich das Komitee "Einsatz für Österreich" in die Schlacht. Es wird vom ehemaligen Präsidenten der Industriellenvereinigung, Veit Sorger und vom Industriellen Claus Raidl angeführt. Auch Dompfarrer Toni Faber und Ski-Legende Karl Schranz fahren auf die Wehrpflicht ab. Für ein Berufsheer rittert das "Personenkomitee Unser Heer" mit Ex-Finanzminister Hannes Androsch an der Spitze. Was sind ihre Argumente für oder gegen die Wehrpflicht?

Für die Wehrpflicht spricht:

Nur Wehrpflicht garantiert Katastrophenschutz.

Ein Berufsheer kostet zu viel.

Ein Berufsheer ist das Ende der Neutralität und der Weg in Nato.

Zivildienst ist Basis für ehrenamtliches Engagement im Land.

Die Wehrpflicht garantiert eigenständige Landesverteidigung.

Nur Zivildienst garantiert, dass Rettung rasch am Unfallort.

Nur die Wehrpflicht garantiert gesellschaftliche Durchmischung.

Der Dienst für Österreich ist ein Bekenntnis zur Heimat.

Wehrpflichtige werden beim Heer körperlich fit.

Sicherheit ist Aufgabe der Bürger, die nicht delegierbar ist.

Der Zivildienst ist die soziale Schule der Nation.

Die Wehrpflicht ist in der Verfassung verankert.

Nato heißt Kriegseinsatz.

Für ein Berufsheer spricht:

Willkommen im 21. Jahrhundert. 21 von 27 EU-Ländern haben ein Berufsheer.

Das Berufsheer öffnet Karrierewege. Wehrpflicht raubt Zeit.

Das Heer braucht Profis - egal ob für Auslandseinsätze oder für den Katastrophenschutz.

Wehrpflicht frustrierte - 60 Prozent sind "Systemerhalter wie Köche oder Chauffeure".

Ein freiwilliges soziales Jahr statt des Zivildienstes wertet die Sozialberufe auf.

Ein bezahltes Sozialjahr steht auch Frauen offen.

Der Kalte Krieg und die Zeit für Massenarmeen ist vorbei.

Es geht um Cyber-Attacken und Auslandseinsätze: Dafür braucht es Profis.

Wir zahlen viel Geld dafür, dass 15.000 junge Menschen nur herumsitzen.

Die Bevölkerung schrumpft. Für Wehrpflicht und Zivildienst bald ohnedies zu wenig Leute.