Faymann und Darabos für Debatte zu Neuorganisation des Bundesheeres. | Auch Pröll will Aufgaben des Heeres neu definieren. | Wien. 750.000 Menschen hat die Leistungsschau des österreichischen Bundesheeres anlässlich des Nationalfeiertages am Dienstag auf den Wiener Heldenplatz gelockt. Neben der Angelobung von 1200 Rekruten konnten die Besucher dort Panzer, Hubschrauber und sonstiges militärisches Gerät bestaunen.
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Ob ein derartiges Aufgebot an militärischer Präsenz aber auch in Zukunft am Nationalfeiertag weiterbestehen wird, ist fraglich. Denn Bundeskanzler Werner Faymann gab in seiner Rede zum Nationalfeiertag am Heldenplatz den Startschuss für die Debatte über Wehrpflicht und Bundesheer: Die Aufgaben und die Organisation des Bundesheeres seien "in den nächsten Monaten neu festzulegen", sagte der Kanzler.
Erfahrungen undModelle anderer Länder
Damit sei der Start für eine offene Diskussion unter Einbeziehung der Erfahrung und Modelle anderer Länder Europas, die sich für ein Berufsheer entschieden haben, gegeben, meinte er beim traditionellen Sonderministerrat zum Nationalfeiertag. Dieser fand heuer nicht im Bundeskanzleramt, sondern im Rahmen der Angelobung der Rekruten am Heldenplatz statt.
Auch Verteidigungsminister Norbert Darabos befürwortete einen Diskussionsprozess, er will diesen allerdings "in sachliche Bahnen lenken". Es sei in einer Demokratie legitim, öffentliche Institutionen, so auch das Bundesheer, "immer wieder kritisch zu hinterfragen". Österreich bräuchte das Heer aber für die Sicherheit des Landes. Darabos betonte einmal mehr, dass das derzeitige Mischsystem aus Kadersoldaten, Grundwehrdienern und Miliz funktioniere. Er unterstrich aber "auch der Einbindung der Bevölkerung in dieser wichtigen gesellschaftspolitischen Frage positiv gegenüber zu stehen", womit er an den Vorstoß des Wiener Bürgermeister Michael Häupl von Anfang Oktober anknüpfte, eine Volksbefragung zur Wehrpflicht durchzuführen.
Skepsis, was die Abschaffung der Wehrpflicht betrifft, ließ hingegen Bundespräsident Heinz Fischer, der den Nationalfeiertag mit der traditionellen Kranzniederlegung in der Krypta am Äußeren Burgtor beging, durchblicken: In seiner Ansprache verwies er darauf, dass das Bundesheer auf Basis der allgemeinen Wehrpflicht errichtet wurde und auch verfassungsmäßig verankert sei.
Vizekanzler Josef Pröll sprach sich in einer Botschaft zum Nationalfeiertag dafür aus, die Aufgaben des Bundesheeres neu zu definieren. Erst dann werde man darangehen, das Heer neu zu organisieren. Gleichzeitig betonte Pröll, dass die Wehrpflicht die Sicherheit des Landes garantiere und ein wichtiger Bestandteil der österreichischen Identität sei. Ein klares Bekenntnis zur Wehrpflicht kam von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, abschaffen wollen sie Grünen-Chefin Eva Glawischnig und BZÖ-Obmann Josef Bucher.
"Wer macht dann den Katastrophenschutz?"
Sehr unterschiedlich zum Thema Wehrpflicht äußerten sich auch die Besucher am Heldenplatz: "Und wer macht dann bitte den Katastrophenschutz?", fragte etwa der 37-jährige Michael Skoller, der selbst zwei Monate im Kosovo stationiert war, entsetzt. Für seinen Vorstoß zur Abschaffung der Wehrpflicht sei Bürgermeister Häupl beim Bundesheer jedenfalls "total verhasst", erzählte der Verbund-Bedienstete der "Wiener Zeitung". Dem sei der Katastrophenschutz aber offenbar egal: "Weil in Wien gibt es ja keinen Lawinen."
Der 49-jährige Herwig Plecko kann sich hingegen gut vorstellen, dass bald ein Berufsheer kommt: "Denn die acht Monate, die ich abgedient habe, waren verlorene Zeit. Das hat mir nichts gebracht und auch dem Land nicht", meint der IT-Leiter vom Flughafen Wien Schwechat. Zudem sei das Bundesheer für ein neutrales Land ohnehin nicht verpflichtend.
Auch die 22-jährige Studentin Julia findet die Wehrpflicht unnötig. "Sie ist in Österreich aber viel zu eingesessen, um aufgegeben zu werden", glaubt die Tirolerin. Die Leistungsschau des Bundesheers wollte sie sich aber trotzdem nicht entgehen lassen. Auch im Parlament hat sie "sich alles angeschaut". Die Schlange für einen Händedruck mit dem Bundespräsidenten war ihr aber dann doch zu lang.
Tagesbefehl von Bundespräsident Heinz Fischer
"Unser Nationalfeiertag erinnert uns an den 26. Oktober 1955. Ein Datum, das mit der vollen Unabhängigkeit unseres Landes und mit der Neutralität Österreichs verknüpft ist. Damals hatten als Ergebnis des Österreichischen Staatsvertrages alle ausländischen Besatzungssoldaten Österreich verlassen und der Nationalrat beschloss am 26. Oktober 1955 das Verfassungsgesetz über die Österreichische Neutralität, die seither eine wichtige Rolle in unserer Außen- und Sicherheitspolitik spielt.
Fünf Jahre später, also vor 50 Jahren, erfolgte auf Ersuchen der Vereinten Nationen erstmals ein Einsatz des Österreichischen Bundesheeres außerhalb der Grenzen unseres Landes. In diesen 50 Jahren hat sich das Österreichische Bundesheer, dessen Grundstruktur und Aufgaben in der Österreichischen Bundesverfassung verankert sind, bewährt und auch international hohe Reputation erworben. (.. .)
In letzter Zeit ist wieder verstärkt über die Frage allgemeine Wehrpflicht oder Berufsheer diskutiert worden, obwohl es in der aktuellen Regierungserklärung der Österreichischen Bundesregierung ein eindeutiges Bekenntnis zur Neutralität und zur allgemeinen Wehrpflicht gibt. Ich habe als Bundespräsident gegen eine sachliche Diskussion solcher Fragen auf der Basis von Zahlen und Fakten keinen Einwand. (.. .)
Der Kernpunkt der zu diskutierenden Frage lautet meines Erachtens wie folgt: Können die Aufgaben, die das Bundesheer des neutralen Österreich auf der Basis der allgemeinen Wehrpflicht erfüllt, nämlich Landesverteidigung plus Katastrophenschutz plus Auslandseinsätze plus sonstige Leistungen in gleicher Qualität und Verlässlichkeit und ohne zusätzliche Kosten auch von einem Berufsheer erbracht werden?
Was unser Bundesheer auf jeden Fall benötigt, das sind klare Vorgaben, eine angemessene Dotierung und eine feste Verankerung in der ganzen Bevölkerung; dazu kommt die volle Rückendeckung der politischen Verantwortungsträger und eine hohe Motivation unserer Offiziere und Soldaten.
In diesem Sinn ersuche ich Sie alle, dass Sie sich weiterhin mit vollem Engagement für Stabilität, Frieden und Sicherheit sowie für die österreichische Landesverteidigung und damit für die Republik Österreich einsetzen. Stellen wir uns gemeinsam den Herausforderungen zum Wohle unseres Landes in einem stabilen Europa."