Präsident Barack Obama kehrt ab von der harten Politik gegen Suchtmittel.
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Boston. Präsident Barack Obama will die Ära der harten Anti-Drogenpolitik beenden. Die Zeit drakonischer Strafen schon für Ersttäter und der unnachgiebigen Verfolgung durch Polizei und andere Behörden im Kampf gegen Drogen werde vorbei sein, erklärte sein Justizminister Eric Holder. In einer Rede vor der Rechtsanwaltskammer von San Francisco, deren Wortlaut vorab an die Presse gegeben wurde, begründet der Minister die Aufweichung der jahrzehntealten Linie mit der hohen Belegungszahl in den Gefängnissen der USA aufgrund von Drogendelikten und mit den hohen Kosten von Strafvollzug und Strafermittlung.
Schonung sollen vor allem jene in Besitz von Drogen angetroffenen Täter erfahren, die weder Gewalttaten begangen haben noch einer Bande oder dem organisierten Verbrechen angehören.
Teufelskreis Minderheiten
In den USA leben nur fünf Prozent der Weltbevölkerung. Allerdings sitzen in ihren Gefängnissen 25 Prozent der weltweit inhaftierten Straftäter. Die hohe Zahl rührt aus der harten Antidrogenpolitik her. Besonders betroffen sind Minderheiten, es werden wegen dieser Art von Delikten mehr schwarze Amerikaner und mehr Latinos verurteilt als Weiße. Holder ging darauf ein, als er sagte: "Zu viele Amerikaner geraten in einen Teufelskreis von Armut, Kriminalität und Inhaftierung und zu viele Gemeinschaften werden dadurch geschwächt." Er fügte hinzu: "Viele Aspekte unsers Strafsystems könnten dazu beitragen, das Problem zu verschärfen, statt es zu lindern."
Auch wenn die Gefängnisstrafen eine wichtige Rolle im Justizsystem zu spielen hätten, so sei doch "die zu häufige Inhaftierung auf Bundes-, Staats- oder lokaler Ebene sowohl wirkungslos als auch unhaltbar. Das bedeutet eine wesentlich finanzielle Last. Und es geht einher mit hohen menschlichen und moralischen Kosten", sagte der Minister. Der Beifall der politischen Linken und vieler Vertreter der afroamerikanischen Minderheit und der Latinos ist Holder gewiss. Er könnte sogar Zustimmung von den konservativen Tea-Party-Gruppierungen bekommen, die alles gutheißen, was die Rolle des Staates verringert.
Strafvollzug kostet zu viel
Holder will sich jedoch nicht für die Entkriminalisierung von Drogen aussprechen. Uruguay hatte das vor kurzem beschlossen, beim südlichen Nachbarn der USA, in Mexiko, hat die Diskussion darüber begonnen. Der Justizminister will die Staatsanwälte im ganzen Land anweisen, geringere Strafen zu fordern, sodass die Richter nicht gezwungen sind, die in den Gesetzen vorgesehenen Höchststrafen zu verhängen.
Derzeit sehen die auch bei Ersttätern eine fünfjährige Haftstrafe vor, wenn sie mit mehr als 100 Gramm Heroin, 500 Gramm Kokain oder mehreren Kilos Marihuana angetroffen werden. Wer größere Mengen besitzt, muss mit mindestens zehn Jahren Gefängnis rechnen, Wiederholungstäter erhalten längere Strafen. Holder will zudem ältere Häftlinge vorzeitig entlassen, um die Gesundheitskosten im Strafvollzug herabzusetzen.
Die Bundesregierung gibt jährlich 80 Milliarden Dollar (60 Milliarden Euro) für die Gefängnisunterbringung von Drogentätern aus. Hinzu kommen 50 Milliarden für den Polizeieinsatz im Drogenbereich. Die Hälfte der Häftlinge in US-Gefängnissen sitzen wegen Drogendelikten ein. Insgesamt gibt es 2,26 Millionen Häftlinge, die Gefängnisse sind zu 40 Prozent überbesetzt.
Rockefellers Erbe verblasst
Die harte Anti-Drogenpolitik in den USA hat vor 40 Jahren im Bundesstaat New York unter Gouverneur Nelson Rockefeller begonnen. Damals überschwemmte eine Welle von Heroin den Staat und die Stadt New York. Damit verbunden waren Morde und andere Gewalttaten. Die Rockefeller-Gesetze wurden in anderen Bundesstaaten kopiert. Auf Bundesebene setzte er ähnlich scharfe Gesetze durch, nachdem Rockefeller unter Gerald Ford Vizepräsident wurde.
Heute hat der Wind gedreht. Einige Bundesstaaten wie Colorado und Washington haben Marihuana vollkommen legalisiert, andere gestatten Besitz und Konsum zu sogenannten medizinischen Zwecken.