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Weichei unter harten Hunden

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Das Bild vom "harten Hund" an der Staatsspitze ist ein erstaunlich langlebiges Rollenklischee unter amtierenden und angehenden Staatenlenkern. Wehe dem, der auch nur den Eindruck erweckt, er könnte als Weichei sein Land vertreten . . . Mit seinen (Wieder-)Wahlchancen wäre es dahin. Und diese Regel gilt beileibe nicht nur für das vermeintlich starke Geschlecht.

Und wer jetzt Barack Obama als menschgewordenen Softie unter den Mächtigen herbeifantasiert, sollte sich in Erinnerung rufen, wie geschickt dieser den Umstand inszeniert, dass er und kein anderer es war, der Osama bin Laden zur Strecke gebracht hat.

Apropos "harter Hund": Kofi Annan, der ehemalige UNO-Generalsekretär, ist kein Vertreter dieser Spezies. Annan hat bis an die Grenzen seiner persönlichen Glaubwürdigkeit im Auftrag der Vereinten Nationen um einen Waffenstillstand zwischen den Bürgerkriegsparteien in Syrien gekämpft. Fast wäre er darob zum Gespött all jener Kommentatoren geworden, die nicht mehr an die Möglichkeiten der Diplomatie in diesem Konflikt glauben wollten. Als einer, der sich vom syrischen Diktator am Gängelband im Kreis führen lässt. Ein typisches Weichei eben, und schlimmstenfalls ein nützlicher Idiot. Man kennt die Floskeln.

Natürlich ist es noch viel zu früh zu sagen, ob dem Plan Annans für eine Beendigung des Blutvergießens in Syrien tatsächlich Erfolg beschieden sein wird. Bei Redaktionsschluss schwiegen die Waffen noch nicht einmal 24 Stunden.

Die für heute angekündigten Massendemonstrationen gegen das Assad-Regime werden wohl die erste Feuerprobe darstellen - und mit Sicherheit nicht die letzte. Auf beiden Seiten wird es welche geben, die sich im Falle eines erneuten Blutvergießens bessere Chancen für die eigene Sache ausrechnen. Und wer möchte es der geschundenen Opposition verübeln, dass sie auf die Entscheidung zu ihrem Gunsten drängt?

Alle anderen, und zuvorderst all die gefühlten "harten Hunde" in den Staatskanzleien, sollten dagegen hoffen, dass Annan mit seiner Strategie der geduldigen Diplomatie Erfolg hat. Andernfalls könnte sich nämlich zeigen, dass ihnen für die harte Tour gegen Assad nicht nur die Mittel fehlen, sondern auch der politische Wille. Was wiederum für die Bürger Syriens die größte Tragödie wäre.