Viele Flüchtlinge lernen erst in Österreich Weihnachten kennen.
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Wien. Auch Muslime feiern Weihnachten. Der 21-jährige Afghane Naim Hosseini lebt seit drei Jahren in Wien und hat seither viele christliche Freunde gewonnen. "Ich bin dieses Jahr der Weihnachtsmann", lächelt Hosseini. Das erste Weihnachten hat er noch nicht richtig mitbekommen. Es war gleich nach seiner Ankunft in Österreich und er war im Krankenhaus. Dort hat er Geschenke von seinen Sozialbetreuern bekommen, warum, das hat er erst später erfahren.
Naim Hosseini gehört zu den rund 64.800 Personen, die in den letzten fünf Jahren in Österreich um Asyl angesucht haben. Die Mehrheit der Flüchtlinge sind keine Christen: Für 2011 gibt es bisher 13.181 Asylanträge, die meisten kommen aus Afghanistan (3261 Anträge), der Russischen Föderation (2128), Pakistan (888), Somalia (535), Irak (446), Indien (434) und Algerien (406). Oft ohne Vorkenntnisse der österreichischen Kultur, sind Asylwerber jedes Jahr mit einer fast zwei Monate andauernden Vorweihnachtszeit konfrontiert.
So ging es am Anfang auch Naim Hosseini. Mittlerweile bekam er einen subsidiären Schutz und lebt nicht mehr im Caritas-Wohnheim, sondern in einer privaten Wohnung. Die Weihnachtsstimmung in Wien genießt er sehr: "Wie die Christen habe ich für das Fest Vorbereitungen getroffen und Geschenke und Karten für meine Freunde gekauft." Naim gefällt die Möglichkeit, seine Widmungen auf Deutsch zu Papier zu bringen.
Als Moslem hat der Afghane nie einen Punsch gekostet und wundert sich über die weite Verbreitung des vorweihnachtlichen Alkoholtrinkens: "Ich habe die Bibel gelesen, da steht nirgendwo, dass Alkohol erlaubt ist. Ich verstehe das nicht, aber ich respektiere es."
Respekt gegenüber anderen Religionen scheint auch in den Asylheimen zu herrschen. Im Verein "Flüchtlingsprojekt Ute Bock" sind mehr als 300 Menschen untergebracht. "Wir betreuen vor allem Nigerianer und Tschetschenen. Die einen sind christlich, die anderen moslemisch", sagt Christian Herzog, einer der Betreuer. Die religiösen Unterschiede hätten keinen beim gemeinsamen Feiern des Winterfestes vorige Woche gestört. Im Zentrum waren die Geschenke für die Kinder. "Bei Menschen anderer Religionen besteht kein Erklärungsbedarf für das, was Weihnachten ist. Deren Kinder besuchen Kindergärten und Schulen und die Familien kennen das Fest. Tschetschenien war Teil der UdSSR - also ist das Fest nicht unbekannt", erzählt Herzog.
Das nahende Weihnachtsfest erkennt man in den Wohnungen aber nicht: kein Schmuck, keine üppig gedeckten Tische. Auch christliche Asylwerber haben ein brennenderes Thema als Weihnachten: der Ausgang des Asylantrags. "Die Menschen haben kein Geld für Geschenke und festliches Essen", betont Herzog. Afrikaner besuchen ihre Kirche, um Gospels zu singen.
Einer davon ist Paul Limbe aus Kamerun. Er singt im Chor Vienna Christen Center im dritten Wiener Gemeindebezirk. "Wir feiern am 25. Dezember die Geburt Jesus", sagt der 20-Jährige. Er habe viele Feste als Kind in seiner Heimat erlebt und hat Lachen und üppiges Essen in Erinnerung. Auch in Wien, wo er seit einem Jahr mit seinen jüngeren Geschwistern lebt, werden seine Lieblingsgerichte bereitet: Huhn mit Tomatensauce und Reis und Gries mit Gemüse. Das traditionelle Schlachten einer Ziege oder Kuh wird ausgelassen. Geld für einen Weihnachtsbaum gibt es nicht. Um die Stimmung zu heben, erzählt Paul der Familie, wie man in Kamerun den Weihnachtsbaum mit Ballons und Lichterketten geschmückt hat und Kleidung als Geschenk bekam.
Aus Kameruns Nachbarstaat Nigeria kommt der 36-jährige Tayo Achebe. In seiner Heimat wird Weihnachten vom 21. Dezember bis zum 2. Januar gefeiert. "Die Städte werden leer. Alle fahren zu den Familien in die Dörfer", sagt er. Aus Kostengründen heiraten viele zu dieser Zeit, da die ganze Familie versammelt ist. Obwohl er in einem Asylheim wohnt, wird Achebe den Heiligen Abend alleine verbringen. Dass in Wien die Lebensmittelpreise zu Weihnachten nicht enorm wachsen, freut ihn: "In Nigeria nutzen die Händler die Gunst der Stunde, um fett zu verdienen."
Spuren des Kommunismus
"In Jugoslawien waren kirchliche Feiertage im Kommunismus verboten", berichtet die 52-jährige Kroatin Zdenka Kovac. Statt des Weihnachtsmanns kam "Großväterchen Frost". Auf dem Tisch waren bis Mitternacht nur Bohnensuppe und Fisch, nach der Mitternachtsmette gab es Brötchen mit Wurst und "die Geschenke, die meine Oma in unseren Stiefeln versteckt hat: Orangen oder Bananen." In den sozialistischen Staaten war der Import dieser Konsumgüter verboten, nur zu Weihnachten machte man eine Ausnahme. Um die begehrten Früchte zu kriegen, bildeten sich riesengroße Schlangen.
"Nach der Wende konnten wir die kirchlichen Feiertage ohne Angst feiern. 1991 kam der Krieg und wir flohen nach Österreich", sagt die ehemalige Asylwerberin. Seit damals feiert die Familie Weihnachten wie die Österreicher, damit ihre drei Kinder nicht ausgegrenzt werden. Eine Tradition, die sie in Österreich vermisst, sind Neujahrsfeste in Betrieben, wo Geschenke für die Kinder der Mitarbeiter verteilt wurden.
Gleiches hat die Mongolin Ebru Densmaa erlebt. Sie hat sich immer sehr auf diese Feste in ihrer sowjetischen Prägung gefreut: "Die fleißigsten und bravsten Eltern und Kinder haben die größten Geschenke bekommen. Ein echter Geschenkregen war das." Anstelle des Christkinds kam zu Weihnachten "Snegurotschka", eine Gestalt aus einem russischen Märchen. Die in Wien lebende Buddhistin genießt sie die Weihnachtsstimmung. Wie alle Asylwerber wünscht sie sich aber vor allem eins: in Österreich bleiben und arbeiten zu dürfen.