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Kurzfristig beraumten der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel (beide SPD) eine Pressekonferenz an, um den als Überraschungscoup eingefädelten "großen Wurf" einer | Steuerreform 2001 bis 2005 zu präsentieren. Inszeniert wurde ein großer Auftritt, der für Medien, Opposition, Wirtschaft und Gewerkschaften als Partner im arg strapazierten Bündnis für Arbeit | bestimmt war.
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Wochenlang hatte Eichel Indiskretionen dementieren lassen, bei der Unternehmensteuerreform 2001 könnte mehr als eine Entlastung von netto 8 Mrd. DM herauskommen. Geworden sind es jetzt
insgesamt rund 42,5 Mrd. DM (21,7 Mrd. Euro/299 Mrd. Schilling) · eine große Überraschung nach Bekanntgabe des Sparpakets.
Bewährte Methode: "Tafelsilber verscherbeln"
Er habe erst durch die Kürzungen von rund 28 Mrd. DM die Spielräume für eine große Steuerreform freigeschaufelt. Dabei verschlingt das Vorziehen der Reformstufe allein 27 Mrd. DM (13,80 Mrd.
Euro/190 Mrd. Schilling) Diese Belastung wirkt einmalig in 2001. Deshalb soll "Tafelsilber verscherbelt" werden, wie die SPD Privatisierungsaktionen von Union/FDP früher abfällig bezeichnete.
Endgültiger SPD-Abschied von Lafontaine-Ära
Eichel schloss die Verwendung von Geld aus der Privatisierung von Post und Telekom aber aus. Dieses wird er brauchen, um der anschwellenden Pensionslasten Herr zu werden, die er für 50 Jahre auf
rund 200 Mrd. DM bezifferte. Daneben hat er noch rund 11 Mrd. DM in Aussicht für heuer nicht verkaufte Eisenbahnerwohnungen und alte Bahnforderungen des Bundes an Banken. Mit dem großen Steuerpaket
wird jedenfalls endgültig der SPD-Abschied von der Lafontaine-Ära vollzogen, für den Steuersenkungen "nicht alles" war. Im Interesse von mehr Wachstumschancen bei einem durch Globalisierung här
ter werdenden Umfeld verschieben sich die Gewichte: Ausdruck ist der Spitzensteuersatz von 45%, den Oskar Lafontaine noch in langen Steuerverhandlungen mit der alten Koalition 1997 abwehrte.
Eichel betont, dass nicht nur die Unternehmen entlastet werden sollen, sondern auch die ArbeitnehmerInnen. Ein Doppelpack also für die Bündnis-Partner, für die die Reform aber zu spät und schwach
kommt.
"Wirtschaftsweiser" kritisiert fehlende Finanzierung
Das Mitglied des Sachverständigenrats der deutschen Bundesregierung, Rolf Peffekoven, kritisierte die Steuerreform in mehreren Punkten. Es gebe auch keine klaren Angaben zur Finanzierung. Die
erwartete Budget-Entlastung durch mehr Wachstum und sinkende Arbeitslosigkeit werde nicht reichen. Eichel kämpft indes weiter für eine europäische Lösung der Zinsbesteuerung, um Steuerflucht zu
verhindern. Er will EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti dazu bewegen, Steueroasen als unerlaubte nationale Beihilfe zu deklarieren.